Die Herbstferien sind da und für uns die Gelegenheit, der Heimat für ein paar Tage zu entfliehen. In ein Land mit viel landschaftlicher Weite, viel Sonne, eher Hitze als Kälte, etwas Abenteuer und Einsamkeit und einer Menge netter Menschen. Dies Traumland haben wir schon längst gefunden. Es ist: Namibia.
Wir können uns aber nicht entscheiden und schieben die Buchungen für die Herbstferien immer wieder auf. Nach Namibia, für zwei Wochen! Lohnt sich der Aufwand für eine solch kurze Zeit eigentlich? Nachdem wir in Norwegen einen verregneten Sommerurlaub erleben mussten war die Entscheidung aber dann im September doch klar: Wir fahren im Oktober nach Namibia.
Zwei Flüge sind schnell ergattert und im Internet gebucht. Wir fliegen vom Flughafen Köln/Bonn im Direktflug mit Eurowings nach Windhoek. Seit kurzem hat Eurowings die Langstreckenroute nach Namibias Hauptstadt im Programm und für uns liegt Köln/Bonn fast direkt vor der Haustür. Zweimal die Woche schickt die zum Lufthansa Konzern gehörende Tochter einen Airbus A330-200 mit bis zu 310 Passagieren nach Namibia. Montag und Donnerstag startet die Maschine zu einem 10½ stündigen Nachtflug und erreicht morgens bei Sonnenaufgang den internationalen Hosea Kutako Flughafen von Windhoek.
War das Buchen des Flugs kein Problem so gestaltete sich das Leihen eines geländegängigen Fahrzeugs als schwierig. Wir schrieben alle uns bekannten Autoverleiher in Windhoek an, bekamen aber nur Absagen. Der Oktober ist in Namibia nicht der große Urlaubsmonat und viele Verleiher haben ihre Fahrzeugflotte reduziert. Ich schalte die Vermittlungsagentur Drive South Africa Car hire ein und sie sagen mir einen Toyota Hilux 4×4 mit Dachzelt und Campingausrüstung zu. Wir waren erst einmal erleichtert. Drive South Africa vermittelt von Kapstadt aus Fahrzeuge im südlichen Afrika. Meist arbeiten sie mit der Firma Bushlore zusammen, die von Pretoria aus ’self-drive Safaris‘ planen und organisieren aber auch Geländefahrzeuge zur Miete anbieten. Sie fahren ihre in Süd-Afrika zugelassenen Autos rechtzeitig zum vereinbarten Ort. In Windhoek hat Bushlore ein kleines Büro mit Depot und Garage in der (endlos langen) Bach-, Ecke Pursell Straße. Hier werden die abschließenden Vertragsdetails erledigt und man erhält eine eingehende Einweisung in die Technik des Fahrzeugs und lernt die umfangreiche Campingausrüstung kennen.
Unsere Reise konnte also beginnen. Der Eurowings Nachtflug von Montag auf Dienstag war leidlich zu ertragen. Wir hatten für 50€ Aufpreis besseren Sitzkomfort gebucht und das zahlte sich aus. Die Einreiseformalitäten am Flughafen von Windhoek waren schnell erledigt, Euros am Flughafen in Namibische Dollar getauscht und Quentin von der Firma Bushlore wartete schon, um uns die etwa 40 Kilometer vom Flughafen zur Verleihstation im Zentrum Windhoeks zu fahren.
Hier im Bushlore Depot standen einige, fast neue Toyota Hilux, bereit zur Abfahrt – aber nicht für uns. Wir bekamen den ältesten und verbeultesten Toyota. Jahrgang 2015 sagten die Fahrzeugpapiere aber 180.000 Kilometer standen auf dem Kilometerzähler. Ziemlich abgefahrene Cooper Reifen und ausgiebig benutzte aber reichhaltige Campingausrüstung stellten wir fest. Uns war es egal. Wir waren glücklich, ein Auto zu bekommen, das namibiatauglich ist und für die nächsten Tage und Nächte unser zuhause sein wird. Afrika ist schließlich nicht Europa.
Wir fahren als erstes zur Maerua Windhoek Mall und kaufen in großem Stil Lebensmittel. Dann geht es auf der geteerten Hauptstraße B1 aus Windhoek heraus immer weiter Richtung Süden. Unser Ziel ist die ca. 300 Kilometer entfernt gelegene Kalahari Anib Lodge (email für Buchungen: anib@gondwana-collection.com), wo wir einen der drei Campingplätze schon in Deutschland gebucht hatten.
Wir haben jetzt das erste Mal das Gefühl, wieder im südlichen Afrika angekommen zu sein. Die weite, flache Buschsavanne Kalahari, die im Nichts plötzlich auftauchenden Farmen mit Bar, Lodges, Swimmingpool und abgelegenen Campingplätzen für die Touristen, die Sonne, die angenehmen Temperaturen, das ist es, was wir suchen.
Am nächsten Morgen geht es weiter. Das Ziel ist der Quiver Tree Forest etwas nordöstlich von Keetmanshoop. Eine Farm hat sich hier auf Touristen spezialisiert, Lodges mit Swimmingpool gebaut und ein kleines Wildgehege mit Straußen, Geparden und anderen einheimischen Tieren errichtet.
Am Rande der Farm, in unmittelbarer Nähe des Campingplatzes, kann man ein zum Nationalen Denkmal ernanntes Gebiet, den Quiver Tree Forest oder Köcherbaum Wald besuchen. Etwa 300 Köcherbäume stehen hier in einem steinigen, hügeligen und eingezäunten Gebiet. Köcherbäume sind in den südlichen, felsigen Gebieten Namibias und Süd-Afrikas heimisch und man sieht die Pflanzen immer wieder abseits der Straßen. Sie sind genügsame Gewächse, die häufig vereinzelt stehen aber auch manchmal in kleinen Gruppen. Ihren Namen tragen sie, weil die Eingeborenen aus diesen Pflanzen früher Waffen, Speere und Köcher für die Jagd hergestellt haben. Eine wahre Attraktion werden die Bäume zum Sonnenauf- oder Untergang. Ihre Silhouette gegen den afrikanischen Abendhimmel ist immer wieder ein beliebtes und lohnendes Motiv für ein gelungenes Urlaubsfoto.Ein paar Kilometer östlich liegt der Giants Playground, der Spielplatz der Riesen. Am Eingang kann man sein Fahrzeug abstellen und den ausgeschilderten Rundweg wandern. Der Weg schlängelt sich durch bizarre, hoch aufgetürmte rötlich-schwarze Dolerit Türme. Ihr Ursprung reicht weit zurück in eine Zeit, als es im südlichen Afrika geologisch ungemütlich zuging. Es war, als der südliche Superkontinent Gondwana, der aus Süd-Amerika, Afrika, Australien, Antarktis, Madagaskar und Indien bestand, vor etwa 150 Millionen Jahren zerbrach und sich die heutigen Kontinente bildeten. Die Erdkruste wurde gedehnt und durch Risse schoss Magma aus dem Erdinnern in Spalten ein. Die heiße Lava erkaltete und kristallisierte langsam unter hohem Druck in der Erdkruste zu hartem Dolerit, der im Laufe der Zeit durch Wind und Wasser, Hitze und Kälte frei erodiert wurde. Heute wirkt die Gegend unwirklich und in unserer Phantasie wie ein verwunschener, einsamer Spielplatz für Riesen.
Unser Weg führt uns gen Süden, weiter zum Fish River Canyon. Vorher übernachten wir im Canyon Roadhouse. Das Roadhouse am Eingang zum Fish River Canyon ist auch eine Farm, die sich dem Tourismus geöffnet hat. Den obligatorischen Swimmingpool findet man genauso wie nette Unterkünfte in einer tollen Landschaft. Das Roadhouse hat allerdings seinen besonderen Charme durch die vielen, draußen ausgestellten, leicht verwitterten Oldtimer. Auch ein alter Hanomag Traktor aus Hannover mit deutschem Typenschild haben wir entdeckt, der neben dem Roadhouse sein letztes, ruhiges Plätzchen findet. Geht man zur Anmeldung in die Empfangshalle, so taucht man ein in einen Raum voller liebevoll und nett dekorierter Antiquitäten aus der Zeit der ersten Siedler. Man nehme sich im Roadhouse, drinnen und draußen, viel Zeit zum Gucken und Staunen und gehe Abends im Roadhouse Restaurant fein Essen und trinke einen guten südafrikanischen Wein.
Am nächsten Morgen fahren wir weiter zum Fish River Canyon. Der Fish River Canyon ist der zweitgößte Canyon der Welt, nur der Grand Canyon in den USA ist noch größer und mächtiger. Wie beim Grand Canyon nähert man sich dem Canyon des Fish River auf einer weiten Ebene. Man erkennt das Naturwunder erst, wenn man direkt davor steht. Anders als beim Grand Canyon ist es hier fast menschenleer. Kein Visitor Centre mit Souvenirladen, keine Touristenmassen, keine geteerten Straßen. Wir sind fast allein an diesem Weltwunder. Wir fahren den Aussichtspunkt an und informieren uns an den aufgestellten Schautafeln über die Geschichte und Geologie des Canyons. Der Fish River ist der längste Fluss Namibias, entspringt im östlichen Naukluft Gebirge und mündet nach 650 Kilometern im Oranje, dem südlichen Grenzfluss zwischen Namibia und Südafrika. Der eigentliche Canyon des Fish River ist 180 Kilometer lang und endet bei Ai-Ais; er ist bis zu 550 Meter tief und 27 Kilometer breit. Heutzutage führt der Fluss kaum Wasser, in der Trockenzeit ist er bis auf einzelne Tümpel fast ausgetrocknet.
Spontane Tageswanderungen hinunter zum Flussbett sind nicht gestattet. Man benötigt immer eine Genehmigung des Namibia Wildlife Resorts. Mehrtageswanderungen vom Aussichtspunkt hinter Hobas runter zum Fluss und dann 90 Kilometer weiter flussabwärts bis zum Canyonausgang bei Ai-Ais werden nur in der Trockenzeit von Mai bis Mitte September genehmigt. Genauere Information für Interessierte findet man im Stingy Nomads Reiseblog.
Wir bleiben oben, wandern ein Stück an der Canyonkante entlang, um uns dies Weltspektakel aus unterschiedlichen Blickwinkeln genauer anzuschauen und fahren dann mit dem Auto den Schotterweg an der Canyonkante entlang flussabwärts. Immer wieder halten wir an, steigen aus und blicken in die Tiefe. An einer besonders schönen Stelle packen wir Tisch und Stühle aus und picknicken im Schatten des Autos. Kaffee trinken wir direkt am Canyonrand mit Blick auf dieses großartige Naturspektakel. Irgendwann, wenn man so in den Canyon hinunter schaut, kommt die Frage: Wie ist der Fish River Canyon eigentlich entstanden?
Auf jeden Fall nicht so wie der Grand Canyon in den USA. Dieser entstand durch eine Hebung als Folge der Subduktion der Pazifikplatte unter die Kontinentalplatte Nordamerikas und anschließender Erosion des Colorados mit seinen Nebenflüssen in das Deckgestein. Die gängige Theorie beim Fish River Canyon geht von Spaltenbrüchen im Gebiet des Fish Rivers zur Zeit des Auseinderbrechens des Südkontinents Gondwana aus in die sich der Fluß eingegraben hat. Gondwana lag damals vor etwa 150 Millionen Jahren weiter südlich und Namibia nah am Südpol. Riesige Eisgletscher bedeckten das Gebiet des Fish River und schürften Gräben, wo das Deckgestein Schwächen zeigte. Als sich Afrika von Südamerika löste driftete die afrikanische Platte Richtung Norden. Die Gletscher schmolzen, das Land hob sich und der Fish River schwoll zu einem mächtigen Fluß an, der sich tief in das harte Gestein eingrub. An der Sohle legte er uralte Gesteinsschichten frei, die weit zurück bis ins Erdaltertum datiert werden können.
Wir fahren weiter zum Canyonausgang in Ai-Ais und übernachten auf dem dortigen Campingplatz. Am nächsten Morgen machen wir uns auf zum Oranje Fluss, fahren die C13 Schotterstraße entlang Richtung Westen bis wir den Grenzübergang von Namibia nach Südafrika in Sendelingsdrift erreichen. Auf der namibischen Seite müssen wir durch das Einreisebüro und unsere Ausreise stempeln lassen, dann ruft der Beamte per Funk auf der anderen Seite des Oranje die Fähre herbei. Die Fähre ist klein, gerade mal ein oder zwei Autos passen drauf. Sie hängt an einem Führungsseil und wird angetrieben von zwei Aussenbordmotoren. Schnell sind wir auf der südafrikanischen Seite des Oranje und haben die Einreiseformalitäten erledigt. Dann noch im benachbarten South Africa National Park Büro in Sendelingsdrift das Permit zum Besuch mit Übernachtung im Richtersveld Nationalpark besorgen und auf geht es zum 4×4 Abenteuer.
Der Richtersveld Nationalpark ist der wilde, lebensfeindliche und einsame Nationalpark in Südafrika. Hier herrscht extremes Wüstenklima und die Landschaft wirkt auf den Besucher wie eine rote Steinwüste. In den Park einfahren darf man nur mit einem 4×4 geländegängigen Fahrzeug mit genügend Wasser und Lebensmitteln an Bord. Es geht durch ausgetrocknete Flusstäler, Passstraßen hinauf und wieder hinunter ins nächste Tal. Die Wege sind gut zu erkennen aber übersät mit Steinen, die das Weiterkommen zu einem Geschicklichkeitstraining für Geländewagenfahrer macht. Sehr nett gelegen sind die wenigen Übernachtungsplätze. Großzügig angelegt am Oranje. Dass man hier vollkommen allein und auf sich selbst gestellt ist versteht sich fast von selbst. Wir genießen die zwei Tage in der Wildnis. Es ist ein echtes Outdoor Abenteuer, das sich uns bietet in einer Landschaft, wo wir denken: So ähnlich muss man sich auf dem Planeten Mars fühlen, wenn man dort eine Spritztour mit einem Weltraumrover machen könnte.
Unsere Reise geht weiter in Namibia. Der C13 folgen wir Richtung Norden bis zur Ortschaft Aus. Gegen Abend ziehen von Westen kommend weiße Cumulus Wolken am blauen Himmel auf. Sie werden immer dichter und dunkler und im Südosten wird der Himmel schwarz und es blitzt und donnert. Das haben wir in Namibia noch nicht erlebt, dass sich der blaue Himmel verdunkelt und heftiger Regen einsetzt. Es ist jetzt Anfang November und die kleine Regenzeit hat begonnen. Sie wird uns die restlichen Urlaubstage jeden Abend mit bangem Blick zum Himmel schauen lassen. Alle, Menschen, Tiere und Pflanzen warten auf Regen – nur wir als Touristen eher nicht.
Der kleine Ort Aus liegt strategisch günstig an der Wegekreuzung der B4 von Keetmanshoop nach Lüderitz sowie der C13, die ins Bergbaugebiet von Rosh Pina im Süden führt. Aus war ein Knotenpunkt der einst so wichtigen Bahnstrecke von Lüderitz mit seinem Seehafen über Keetmanshoop bis in die Hauptstadt Windhoek. Gegründet wurde Aus von der deutschen Schutztruppe als Stützpunkt; im Ersten Weltkrieg betrieb Südafrika in Aus ein Konzentrationslager, um deutsche Kriegsgefangene hier zu internieren. Heute ist es ein kleiner, verschlafener Ort, durch den alle Touristen, die an die Küste nach Lüderitz fahren möchten, hindurch müssen. So kommt es, dass fast jeder Namibia Besucher irgendwann einmal die luxuriöse Lodge oder den angeschlossenen Campingplatz von Klein-Aus Vista kennen lernt. Es ist ratsam, einen der Campingplätze oder ein Zimmer in Klein-Aus Vista frühzeitig von Deutschland aus zu buchen. Wir haben es nicht getan und müssen nun mit dem Eigentümer über Übernachtungsalternativen auf der Farm diskutieren und erlangen schließlich die Erlaubnis, etwas abseits zu stehen, im sogenannten Overflow Bereich. Es ist schon spät und wir bauen schnell unser Dachzelt auf, denn vom Sanitärhaus am Campingplatz von Klein-Aus Vista startet ein kurzer Wanderweg, der hoch auf einen Bergsattel führt und einen fantastischen Blick gen Westen in das weite Nachbartal bietet. Sehr zu empfehlen zum Sonnenuntergang. Taschenlampe für den sicheren Rückweg nicht vergessen!
Am nächsten Morgen brechen wir früh Richtung Westen, nach Lüderitz auf. Die Nationalstraße B4 führt in weiten Teilen schnurgerade durch die südliche Namib Wüste immer parallel zur eingleisigen Bahnstrecke Keetmanshoop, Lüderitz. Diese Lüderitzbahn wurde 1905/6 gebaut mit Anschluß in Seeheim an die Bahnstrecke nach Keetmanshoop und Windhoek. Die Lüderitzbahn diente der besseren Anbindung des südlichen Hinterlands von Deutsch-Südwest an den Hafen von Lüderitz. Das war damals nötig, da die 150 Kilometer von Lüderitz bis Aus durch die wasserlose Namib führte und für deutsche Siedler mit Hausrat und Vieh schwer zu durchqueren war. In den letzten Jahrzehnten wurde die Bahntrasse aufwändig saniert. Trotzdem fährt auf ihr heute kein Zug. Sie ist im Güterverkehr nicht wettbewerbsfähig im Vergleich zur parallel verlaufenden Teerstraße B4 und an den Tourismus hat vermutlich noch niemand gedacht.
Lüderitz ist heute eine Industriestadt mit Fischereihafen und Fischindustrie. Wir sind weniger an der Stadt Lüderitz interessiert sondern möchten die Geisterstadt Kolmanskuppe, 15 Kilometer vor Lüderitz, besuchen. In der Umgebung von Kolmanskuppe wurden 1908 zufällig die ersten Diamanten der südlichen Namib gefunden und es setzte ein regelrechter Run ein. Diamantenschürfer aber auch Techniker und andere Dienstleister kamen mit ihren Familien und es entstand mitten in der abweisenden Wüste eine Siedlung: Kolmanskuppe. Bis zu 400 Personen lebten hier zur Blütezeit; es entstand eine kleine, rein deutsche Stadt mit allem was man so braucht: Schule und Krankenhaus, Kneipe mit Kegelbahn und Theater und ein Swimminpool auf dem Berg. Kolonialwarenhändler, Schlachter und Bäcker. Kirche mit Pfarrhaus und ein Bahnanschluss zur Lüderitzbahn. Die Diamanten in der Umgebung waren in den 1930er Jahren alle eingesammelt und die Schürfer zogen weiter in den Süden und mit ihnen ihre Familien. Es wurde einsam um Kolmanskuppe. Irgendwann in den 1950er Jahren wurde Kolmanskuppe gänzlich aufgegeben. Die Häuser verfielen langsam, und der Namibwind wehte rötlichen Sand in die Stuben. Heute ist Kolmanskuppe eine kleine Geisterstadt und ein Freiland Museum, das man besichtigen kann. Die Siedlung gibt einen guten Einblick in die Pionierzeit der Diamantensucher und das harte Leben der damaligen Zeit. Im ehemaligen Kolonialwarenladen liegen Dokumente von Zeitzeugen aus, die in Kolmanskuppe lebten und ihre Zeit dort beschrieben haben. Alles in Deutsch und sehr interessant, zum Teil auch ergreifend.
Wir sind klar auf dem Rückweg. In drei Tagen, abends geht unser Eurowings Flieger zurück nach Deutschland. Von Aus brechen wir auf und fahren auf der C13 gen Norden. Nach 60 Kilometern biegen wir links in die Schotterstraße D707, landschaftlich eine Traumstraße Namibias. Wir fahren entlang der Großen Randstufe und sehen links die Sanddünen der Namib Wüste und rechts die Tirasberge. Wir biegen nach weiteren 65 Kilometern rechts ab und folgen dem Hinweisschild: ‚Ranch Koiimasis‚. Auf Koiimasis übernachten wir auf einem der abseits gelegenen Campingplätze, genießen aber vorher noch einen herrlichen Sonnenuntergang und das Zusammenspiel von roter Wüste und grauen, mächtigen Gewitterwolken.
Am nächsten Tag geht es weiter über den Ort Maltahöhe nach Büllsport und dort fahren wir in den Namib-Naukluft Nationalpark ein um gleich hinter dem Parkeingang auf dem Campingplatz zu übernachten. Wir machen eine kurze Wanderung entlang des Flussbetts des Naukluft Flusses und hier erwischt uns endlich der Regen, der sonst immer an uns vorbei gezogen ist, sodass wir umkehren und uns ins trockene Dachzelt verkriechen.
Uns war bei der Übernahme unseres Mietautos schon klar, dass es arg benutzt war und die Reifen schon bessere Tage gesehen hatten. Auf allen Wegen sind wir vorsichtig und mit angemessener Geschwindigkeit gefahren, denn unser Ziel ist es natürlich, das Auto dem Vermieter unbeschädigt zurück zu geben. Trotzdem ließ es sich nicht verhindern: 150 Kilometer vor Windhoek, beim Durchfahren eines trockenen Flussbetts zerriss es den hinteren, linken Reifen. Also mußten wir den Reifen wechseln. Wir suchten alle erforderlichen Werkzeuge im Auto zusammen, lösten die sechs Radmuttern am defekten Rad und montierten den High Jack genannten riesigen outdoor Wagenheber. Dann wurde das Auto vorsichtig hoch gehebelt, bis die beiden Reifen der linken Seite frei in der Luft hingen. Nun mußten wir den Wagen auf Böcke setzen, den High Jack entfernen, das Rad wechseln, den High Jack wieder ansetzen, das Auto ein Stück hoch hebeln, Böcke wieder entfernen, High Jack ablassen und abbauen, Radmuttern festziehen und Luftdruck korrigieren. Alles bei Temperaturen von über 30 Grad. Nach etwa einer Stunde schweißtreibender Arbeit war es geschafft. Wir konnten alles wieder einräumen und weiter ging es zur Hakos Gästefarm.
Auf der Hakos Gästefarm verbringen wir die letzte Nacht unseres Namibiaurlaubs. Wie uns die (deutsche) Eigentümerin der Farm bei einer Tasse Kaffee und Kuchen nett erklärte, hat sich diese Farm auf Touristen spezialisiert, die nachts Himmelsbeobachtungen machen möchten. Große Fernrohre sind uns schon im Eingangsflur der Farm aufgefallen. Wir erfahren von der Frau an diesem Nachmittag viel über ihre weitverzweigte Familie in Deutschland und hier in Namibia. Sie erklärt uns wie schwierig die Tierhaltung in diesem trockenen Land ist und dass ihr Vater zeitweise die Farm aufgeben mußte. Wir hören gespannt zu. Irgendwann kommen ihre Kinder aus Windhoek zurück und sie zeigt uns noch den Weg zum abgelegenen Campingplatz und wir machen uns auf zu unserer letzten Nacht im Dachzelt unter Namibias grenzenlosem Himmel.
Vom Campingplatz der Farm hat man einen weiten Blick über die hügelige Landschaft und erkennt am Horizont den kleinen und großen, 2.500 Meter hohen Gamsberg. Von Südwesten zieht ein heftiges Gewitter auf, das sich rund um die Gamsberge entlädt mit heftigen Blitzen und Donner. Wir sind froh, dass es bei uns trocken bleibt und wir nur Zuschauer dieses Himmelsspektakels sind.
Eurowings meint es gut mit uns. Der geplante Flug Freitagabend fällt wegen technischer Probleme aus. Eine Ersatzmaschine kommt erst Samstagmorgen in Windhoek an und wird gegen 9 Uhr zum Rückflug starten. Wir dürfen eine Nacht auf Eurowings Kosten im noblen Hilton-Windhoek übernachten und werden ins erstklassige Hiltonrestaurant eingeladen. Das fanden wir sehr anständig von Eurowings und es war, dank Eurowings, ein ungeplanter, netter Abschluss einer rundum gelungenen Namibiareise.
Unsere etwa 2.500 Kilometer lange Tour durch den Süden Namibias in 11 Tagen als gpx-Track findet sich zum Download hier:
Namibia_2017_Track (650,0 KiB, 795 hits)
Schlagworte: Namibia
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