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Irland. Kerry und Umgebung

Wir verlassen Dublin an einem Samstag Morgen schweren Herzens. Von unserem Hostel aus nehmen wir den langsamsten, lokalen Dublin Bus, die Linie 41. Der Bus fährt fast jede Seitenstraße und jeden Vorort Dublins ab auf dem Weg zum Flughafen, wo unser Thrifty Mietwagen, den wir in Deutschland angemietet hatten, zur Abfahrt nach Irlands Südwesten, ins County Kerry, bereit steht.

Noch am Abend zuvor kehrten wir in ‚unser‘ Irish Pub Gardliner Ecke Talbot Street ein um ein Guiness ein Heineken oder nur eine Coca Cola zu trinken und irischer Livemusik versonnen zuzuhören. Der Mann spielt Gitarre und singt irische Volkslieder, die Frau begleitet ihn auf dem irischen Akkordeon und schlägt den Takt kräftig mit dem Absatz ihres linken Schuhs. Wir haben den Eindruck als ob irische Lieder irgendwie immer tragisch enden. Sie handeln von irischen Patrioten, die von den Engländern hingerichtet oder verschleppt werden und in denen der alte Vater mit langem grauen Haar in tiefem Schmerz aber Stolz in der Brust trauernd zurückbleibt oder sie handeln vom Suff und dem Alkohol der irischen Männer. Ist Liebe im Spiel endet sie meistens tödlich wie im Lied des Dubliner Mädchens Molly Malone. Das Molly Malone Lied ist ein irisches Volkslied und es wurde Molly Malone in Dublin sogar ein Denkmal gesetzt in der Grafton Ecke Suffolk Street. Als wir dort vorbei kamen hatte Molly wieder einen jungen Mann verführt, der ihr als Beweis ewiger Liebe einen roten Blumengruß in den Ausschnitt gesteckt hatte.

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Wir übernehmen unser Mietauto am Flughafen von Dublin. Von Dublin hinüber zum südwestlichsten Ende auf die mit einer Brücke mit dem Festland verbundene Insel Valentia im County Kerry fährt man eine Strecke von etwa 350 Kilometer – gut zu schaffen an einem Tag denn die Republik Irland ist, bezogen auf die Fläche, nicht größer als Bayern. Bis Limerick fahren wir komfortabel und meist vierspurig auf der M7, dann wird es zweispurig und die Straße, die N21 ist schmal und kurvig. Wir schlängeln uns mitten durch Städtchen wie Adare, Templeglantine und Abbeyfeale. Die Landschaft ist nett anzusehen: Grün, hügelig mit saftigen Wiesen, die häufig gesäumt sind von Steinmauern als Windschutz und Abgrenzung gegenüber dem Nachbarflurstück. Wir fahren vorbei am Flughafen Kerry, den RyanAir vom deutschen Flughafen Frankfurt/Hahn anfliegt, kommen durch Killarney, biegen Richtung Killorglin ab, die Straße wird immer schmaler, immer kurviger, kurz hinter Caherciveen biegen wir rechts ab nach Portmagee, überqueren die Brücke, die auf die Insel Valentia führt und kommen Abends endlich in unserem Coastguard Cottage No. 2 an.

Das Cottage wird zwei Wochen unsere feste Unterkunft sein; es ist ein ruhiges Reihenhäuschen in einem vierer Block. Gebucht haben wir es in Deutschland unter dem Link Kerry Coastal Cottages.

Eigentlich sind Cottages im britischen Kulturkreis einfache, nur aus einem Erdgeschoss bestehende Natursteinhäuschen. Hier bei uns handelte es sich aber eher um ein großzügiges, zweistöckiges Reienhaus mit großem Wohn-, Ess- und Küchenzimmer im Erdgeschoss und zwei Schlafzimmern mit Bad und WC im Obergeschoss. Der Reihenhausblock liegt am Hang einer Wiese ein paar Meter vom Atlantischen Ozean entfernt, der an dieser Stelle sich zwischen das Festland und die Insel Valentia zwängt. Schaut man Morgens aus dem Schlafzimmerfenster so schweift der Blick weit hinaus übers Wasser bis hinüber aufs Festland zum kleinen Fischerhafen von Portmagee. Unser Ferienhäuschen ist das ideale Plätzchen um Geist und Seele richtig zu entschleunigen und zu sich selbst zu finden.

Unser Häuschen ist Ausgangspunkt für Tagesausflüge in die irische Urlaubsregion im Südwesten der Republik. Die Felsküste auf der Insel Valentia, auf der unser Ferienhaus steht, liegt praktisch vor der Haustür. Atemberaubende Cliffs mit steilen Überhängen aber auch flache Meeresbuchten mit wilden, schwarzen Felsformationen laden zum Wandern aber auch zum Klettern ein. Man kann einen Leuchtturm, der noch bis vor kurzem bemannt betrieben wurde, besichtigen und anschließend vielleicht nebenan einen alten Steinbruch, aus dem irische Schieferplatten für das britische House of Parliament gebrochen wurden. Die netten Dörfchen Knightstown und Portmagee auf dem Festland verführen zum Hafenbummel und zum Kaffee- oder Teetrinken. Valentia hat aber auch überregionale Bekanntheit auf einem wichtigen technischen Gebiet der Kommunikation zwischen den Kontinenten erlangt: Mitte des 19. Jahrhunderts wurde von dieser kleinen, irischen Insel aus das erste Transatlantikkabel zwischen Europa und Neufundland in Nordamerika verlegt. Über das Kupferkabel wurden Telex- und später Telefonverbindungen geschaltet – eine wichtige Sternstunde moderner Kommunikationstechnik.

Im Nordosten der Insel Valentia gibt es das Glanleam House. Erbaut wurde dieser Herrensitz mit umfangreichen Gärten und Ländereien Mitte des 19. Jahrhunderts vom 19. Knight of Kerry. Ein Knight ist im britischen Kulturkreis ein niedriger Adelstitel, der am ehesten mit einem Rittertitel zu vergleichen ist. Englische Militärs wurden früher mit Ritterschlag in diesen Ritterstand erhoben und erhielten für ihre Verdienste Ländereien zugewiesen. Beim Knight of Kerry erhielt diese Ehrung ein Vorfahre in der männlichen Linie der Fitzgeralds. Sir Peter George Fitzgerald, der Erbauer von Glanleam House und 19. Knight of Kerry, sammelte im 19. Jahrhundert viele exotische Pflanzen, die er von Reisen in die südliche Hemisphäre der Erde mitbrachte, und er pflanzte sie in einem bezaubernden Garten rund um Glanleam House. Ihm zu Ehren setzte man ein großes, keltisches Gedenkkreuz auf einer Hügelkuppe seiner ehemaligen Ländereien, das bis weit hinüber aufs Festland als Landmarke zu erkennen ist.

Heute kann man die Gärten von Glanleam House gegen eine Eintrittsgebühr besichtigen. Die Eintrittskarten verkaufte uns eine ältere Frau, die uns gleich auf Deutsch mit erkennbarem rheinländischen Akzent ansprach. Sie stammt aus Zülpich nahe bei Köln und gehörte zu einer Zülpicher Familie von Tuchindustriellen. Als sie 22 Jahre alt war gründete sie aus Lohnkostengründen, wie sie erzählte, eine Wollspinnerei in Irland. Sie berichtete uns, dass die Zeit damals eine ganz andere war. Als Frau konnte man nicht in ein irisches Pub gehen – das machte man damals nicht und der Wirt hätte eine Frau nicht hinein gelassen. Die Iren sind, wie sie meinte, wegen der Inzucht auf der Insel häufig Linkshänder. Das brachte so manches Bedienproblem der für Rechtshänder konstruierten Spinnmaschinen mit sich und das Verletzungsrisiko der irischen Arbeiter war hoch. In den ‚alten‘ Zeiten herrschte noch eine große Hochachtung der einfachen Arbeiter gegenüber den Firmeneignern. Besuchte sie eine Fabrik und ging durch die Werkshalle so ließen die Arbeiter von ihrer Arbeit ab und standen in ‚Hab acht‘ Stellung auf. Alles Vergangenheit seufzte sie. Sie erzählte uns noch in ein paar schnellen Worten die Geschichte des Anwesens und erklärte den Rundgang durch den Garten: Das Anwesen besitzt drei Heilige Quellen mit mythischen Fähigkeiten. Zwei sind zugänglich. Die erste entwickelt ihre besonderen Fähigkeiten bei jungen Frauen. Bleibt man vor ihr eine ganze Weile stehen so spüren Frauen eine angenehme Vibration im Unterleib. Bei der zweiten Quelle, die mit einer Holzplatte abgedeckt ist, verspüren multiple-sklerose Erkrankte Linderung ihrer Leiden. Allerdings, so meinte sie, spüren auch junge Männer eine Kräftigung ihrer Lendenkraft, wenn sie sich lange genug auf die Heilige Quelle stellen – aber das ist noch nicht so ganz gesichert. Jetzt wurde es interessant und wir hatten noch ein paar Fragen aber leider kam Kundschaft und die nette Frau mußte sich verabschieden. Schade aber vielleicht kommen wir noch mal wieder um mehr über Glanleam House, seine Geschichte, seine Gärten und Heiligen Quellen zu erfahren.

Schaut man sich die irische Insel auf einer Landkarte an dann ähnelt der Südwesten einer linken Hand mit Fingern, die in den Nordatlantik hinein ragen. Oben liegt die Halbinsel Dingle, darunter Iveragh und unten Beara. Von unserem Cottage auf Iveragh aus planten wir Tagesfahrten auf diese drei Halbinseln. Mehr als 300 Kilometer am Tag kann man auf den kleinen irischen Landstraßen nicht fahren. Überhaupt verlangt Autofahren auf Irlands Landstraßen höchste Konzentration vom Fahrer und ein gediegenes Maß an Resistenz gegen Übelkeit und Seekrankheit bei den Mitreisenden besonders auf hinteren Sitzen.

Irlands Landstraßen sind schmal, häufig äußerst schmal. Dicht gesäumt von herrlichen, blühenden Böschungen aus Wildblumen, Büschen und Sträuchern fährt man manchmal durch eine geschlängelte grüne Röhre. Die Kurven sind nur das eine Martyrium beim Autofahren. Es geht auch stetig auf und ab, eine permanente Berg- und Talfahrt auf einer wenig eingeebneten Trasse: Ständig zerren physikalische Trägheitskräfte am Reisenden in allen drei Raumrichtungen und kleine Buckel in der Teerdecke mancher Sträßchen lassen den Reisenden in den Sitzen auf- und abschwingen. Und dann kommen dem Reisenden Busse und Motorhomes entgegen. Sie tauchen urplötzlich hinter einer Kurve auf und zwingen den Fahrer sofort beherzt abzubremsen und äußerst links zu fahren bis die Sträucher gegen die Seitenwand des Autos schlagen. Autofahren in Irland ist nichts für Menschen mit schwachen Nerven und einem sensiblen Magen.

Trotzdem gibt es auch positives über Irlands Straßenverkehr zu berichten: Es gibt keine Raser. Bei diesen Straßenverhältnissen kann man nicht schnell fahren also lässt man es gleich bleiben. Verlässt man eine Ortschaft so weist ein verloren am Straßenrand stehendes Verkehrsschild auf die amtliche Höchstgeschwindigkeit hin: 100 KM/h. Das kann man getrost vergessen. Nicht mal 80, besser 70 Kilometer pro Stunde kann man fahren ohne sich und andere Verkehrsteilnehmer in höchste Gefahr zu bringen. Noch etwas ist in Irland sehr positiv: Den Schilder- und Regelwahn, wie wir ihn im deutschen Straßenverkehr kennen, gibt es nicht. Vor einer gefährlichen Kurve steht auf die Straße gemalt: SLOW also LANGSAM, in extremen Fällen gibt es auch ein VERY SLOW woran man sich auch tunlichst halten sollte. Vor Schulen SLOW SCHOOL AHEAD. Wieviel SLOW übertragen auf das KM/h des Tachometers bedeutet bleibt dem Autofahrer überlassen. Einbahnstraßen in Irland sind selten. Gibt es sie doch sieht man einen kleinen Pfeil an eine Häuserwand geschraubt und auf der anderen Ende der Einbahnstraße ist ein NO ENTRY auf den Teer gemalt. Einen Radarkasten haben wir nur einmal auf der Autobahn nördlich von Dublin gesehen. Sonst findet man im Land viele kleine Hinweisschilder auf Radarkontrollen, gesehen haben wir aber keine.

Von unserem Cottage auf Valentia aus fahren wir auf Tagesausflügen den (Straßen-) Ring of Kerry, Ring of Dingle, Ring of Beara sowie den Ring of Skellig und den Ring of Valentia. All diese Ringstraßen bieten herrliche Ausblicke auf die Küste, die grünen, weiten Schafwiesen mit vielen kleinen, torfigen Senken und eingelagerten Seen. Ein besonderes Kleinod ist der Killarney Nationalpark durch den der Ring of Kerry führt. Hier startet – für Wanderenthusiasten zu empfehlen – der Kerry Way. Der Kerry Way ist ein gut ausgeschilderter, mehrtägiger Wanderweg durch diese einzigartige Landschaft in Irlands Südwesten.

Im Heritage Centre auf Valentia Island, direkt an der Brücke zum Festland, buchen wir eine Bootsfahrt zu Skellig Michael, einem Weltkulturerbe der UNESCO. Skellig Island sind zwei Felsinseln und sie liegen 15 Kilometer vor der irischen Küste im Atlantik. Skellig Little, die etwas südlichere ist Brutplatz tausender Seevögel; Skellig Michael, die etwas größere, nördlichere Insel war vor über tausend Jahren von Mönchen in absoluter Einsamkeit bewohnt. Schon die Anfahrt, die eine Stunde im Motorboot dauert, ist eine Herausforderung an die Seetüchtigkeit der Passagiere. Das Boot fährt gegen die Wellen des Atlantik und taucht tief in die Wellentäler ein. Wir sind froh als der Bootsführer endlich das Boot in den Windschatten der kleinen Skelliginsel lenkt um uns die vielen Vogelkolonien auf dem harschen Felsen zu zeigen. Dann geht es wieder ein Stück aufs offene Meer hinaus und in eine Felsspalte der Skellig Michael Insel quetscht sich das Boot endlich hinein in einen kleinen Naturhafen und wir können mühsam anlanden. Es geht viele Treppenstufen den Felsen hinauf und oben in einer etwas geschützten Mulde haben Mönche im 5. Jahrhundert ein paar igloähnliche Steinhäuschen und eine kleine Kirche gebaut um hier in zeitloser Einsamkeit Gott nahe zu sein. Aufzeichnungen über die Menschen, die über Jahrhunderte hier lebten gibt es nicht. Man geht von 12 Mönchen und einem Abt aus – aber auch das ist Spekulation. Man fragt sich an diesem Ort wie die Menschen sich ernährt, wie sie der Kälte und dem Regen getrotzt haben. Wie stark muss ihr Glaube gewesen sein um all diese Entsagungen freiwillig hinzunehmen? Auf alle Fragen gibt es keine Antworten.


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  1. Matthias Kostka’s Avatar

    Hallo Friedrich,

    Ihr scheint eine schöne Zeit zu haben in Irland. Jedenfalls begeistern mich Deine Fotos und lassen mir die Zeit, bis wir nächstes Jahr Anfang Mai wieder dort sein werden, sehr lang vorkommen.

    Viele Grüße auch an Claudia

    Matthias

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