Island ist die Insel aus Feuer und Eis, geprägt durch Gletscher und große Schneefelder und durch Erdspalten, erstarrte Lava und Vulkane. Nachdem wir in den ersten Tagen auf Island von der geteerten Ringstraße aus Abstecher zu den Gletschern des Vatnajökull unternommen haben, geht es jetzt ins Hinterland, Islands Highland.
Durch unsere zahlreichen Besuche im südlichen Afrika haben wir praktische Erfahrung im Befahren unbefestigter Straßen mit Mietautos. Man sollte immer prüfen ob der Autovermieter das Fahren auf unbefestigten Straßen überhaupt zuläßt oder ob bestimmte Gebiete sogar ausgeschlossen werden. Für Island sind Schotterpisten im Hochland untersagt, wenn man ein Auto mit konventionellem Antrieb oder Wohnmobile anmietet. Ist das geklärt, prüft man die Ausrüstung des Mietautos. Reicht der Treibstoff im Tank wenn Tankstellen rar sind, besonders wenn der Spritverbrauch auf Schotter viel höher ist? Ist das Equipment zum Wechseln eines defekten Reifens komplett und weiss man überhaupt, wie man einen Reifen bei dem Mietfahrzeug wechselt? Da haben wir Vorteile. Wir kennen den Toyota HiLux sehr gut, denn er ist in Afrika das meistvermietete 4×4 Auto und wir haben ihn dort schon häufig gefahren.
Trotzdem sind wir unsicher. Christian, mein jüngster Sohn und Mitfahrer, hat im Reiseführer eine Tour zur Lakispalte oder isländisch Lakagíga gelb markiert. Da müssen wir unbedingt hin war sein unerschütterliches Credo. Dass der Reiseführer von schwierig zu befahrender Schotterstraße sprach, nur zu empfehlen für erfahrene offroad Fahrer, machte uns schwankend, besonders aber die fünf ausgewiesenen Wasserfurten. Wir hatten zwar bislang recht gutes Wetter, nur an einem Tag am Nachmittag viel Regen aber keinen Sturm bei akzeptablen Temperaturen um die 10 bis 13 Grad am Tag. Doch das kann sich auf Island schnell ändern und kleine Flüsschen können mächtig anschwellen und unpassierbar werden. Ein guter Tipp ist, sich regelmäßig über das Islandwetter auf einem der gängigen Wetterportale und über den aktuellen Zustand der isländischen Straßen auf der Seite des Portals Icelandic Road and Coastal Administration zu informieren.
Wir diskutieren die Möglichkeit, eine bezahlte Tagestour zur Lakagíga mit einen dieser Monstertrucks zu buchen. Im Internet werden wir schnell bei Guide to Island fündig. Hier werden Tagestouren für etwa 250€ pro Person angeboten. Ich schwanke aber Christian lehnt strikt ab. Zu teuer! Island ist generell für uns Euro Touristen ein sehr hochpreisiges Land. Ein Kaffee oder der Parkplatz können schon mal 7€ kosten, Diesel 1,80€ der Liter, einfache Campingplätze für uns 40€. Die Isländer stammen eben von den Wikingern ab und die gingen früher auf große Fahrt um die Nachbarvölker auszuplündern. Heute kommen die Touristen scharenweise aus den USA, Europa, Japan, China und anderen Ländern. Ganz freiwillig. 2017 waren es angeblich 2.5 Millionen bei 350.000 Isländern! Devisen geben sie freiwillig im Land ab. Die Isländer müssen nur die Hand aufhalten.
Wir schauen auf die Wettervorhersage und die ist für die nächsten Tage gut. Unsere Entscheidung ist gefallen. Wir tanken den Toyota voll und fahren am nächsten Morgen ab ins Hochland. Von der Ringstraße biegt man zur Lakagíga in die Seitenstraße F206 ab. Wir sind erstaunt. Die Schotterstraße ist gut zu fahren und macht uns keine Probleme. An der ersten Flussfurt sind wir noch vorsichtig, steigen aus und schauen uns den Flussgrund und die Wassertiefe genau an und diskutieren, wo wir passieren wollen. Dann riskieren wir die Durchfahrt. Das Wasser geht zwar bis an die Türschweller und wir schieben eine weiße Bugwelle vor uns her aber der Toyota mit seiner Bodenfreiheit meistert die Furt perfekt.
Unser erstes Ziel ist der Wasserfall Fagrifoss gleich neben der F206. Hier stürzt sich der Geirlandsá etwa 80 Meter tief in eine Erdspalte. Wir sind das erste Mal die einzigen Besucher einer isländischen Sehenswürdigkeit und sind überwältigt. Bei strahlendem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen laufen wir alle Aussichtspunkte ab und genießen die Stille, die uns umgibt. Es fällt uns schwer, diesen tollen Ort zu verlassen aber wir müssen wieder zurück auf die Schotterpiste F206 Richtung Lakagíga.
Island ist mit etwa 20 Millionen Jahren geologisch eine recht junge Insel. Sie liegt genau auf dem Mittelatlantischen Rücken. Der Mittelatlantische Rücken ist eine Spreizung des Meeresbodens des Nord- und Südatlantiks in dessen Folge sich die amerikanischen Kontinente von Europa und Afrika entfernen. Dabei wird viel Magma aus dem Erdinneren befördert und es bilden sich Spalten und Gebirgsaufwerfungen. Normalerweise findet dieser Prozess in einigen tausend Metern Tiefe am Grund des Atlantiks statt. Bei Island kommt, gemäß der gängigen Theorie, der Island-Plume ins Spiel. Ein Plume ist ein Strom von heißer, flüssiger Magma aus dem tiefen Erdmantel, der aufsteigt und gegen die Erdkruste drückt und diese nach oben wölbt sodass Island als Insel aus dem Meer austritt.
Im Jahr 1783 riss die Erde auf einer Länge von 25 Kilometern dort auf, wo sich heute der Lakagíga Graben und die Kette der Laki Vulkane befindet. Aus 130 Kratern flossen knapp ein Jahr lang etwa 15km³ Lava aus und bedeckten und verwüsteten dabei eine Fläche von über 600km² (entspricht knapp der Fläche Hamburgs). Große Mengen Asche wurden hoch in die Atmosphäre geschleudert, zusammen mit vielen Millionen Tonnen Schwefeldioxid und fluorhaltigen Partikeln. Dieser Ausbruch war nicht nur verheerend für die meist im südlichen Island siedelnden Menschen sondern hatte massive Auswirkungen auf das Weltklima. Eine kleine Eiszeit mit Mißernten und kurzen Sommern mit Unwettern und schweren Regenfällen forderten besonders auf der Nordhalbkugel der Erde viele Opfer.
Die F206 führt von der Ringstraße 34 Kilometer durch eine wilde Landschaft. Man fährt durch Hochebenen mit schwarzen Lavakissen und dicken, grüngelbem Moosbewuchs und durch weite Flusstäler. Es bieten sich uns immer wieder atemberaubende Ausblicke in die jetzt im Herbst braunrot gefärbte Landschaft. Am Ende der F206 fahren wir rechts in die 45 Kilometer lange Ringstraße F207, die uns in den westlichen Teil des Vatnajökull Nationalparks (isländisch Vatnajökulsþjóðgarður) führt. Unser Ziel ist der Laki Krater. Ihn kann man besteigen und man hat von hier oben weite Ausblicke nach Westen über die Reihe der Laki Krater hinweg und nach Osten bis zum Gletscherfeld des Vatnajökull.
Wir fahren mit dem Auto weiter, laufen Fußwege duch erstarrte Lavaströme, steigen den Kegel eines erloschenen Vulkans hinauf und schauen in die mit Wasser gefüllte Kaldera. Wir gehen durch tief aufgerissene Erdspalten in die Laki Spalte hinein und sind beeindruckt von dem Durcheinander aus erstarrter Lava und riesigen Felsbrocken, die den Weg versperren und die man umklettern muß. Wir können das Chaos erahnen, das 1783/84 hier geherrscht haben muß und das in der Folge so viel Leid über die damals lebenden Menschen gebracht haben muß.
Wir fahren weiter, kommen an einem einfachen Campingplatz im Vatnajökulsþjóðgarður vorbei, gelangen wieder zurück auf die F206 und fahren am späten Nachmittag die 34 Kilometer zurück zum Campingplatz in Kirkjubæjarklaustur an der Ringstraße. Wir wissen nun, dass wir mit unserem Auto die isländischen, für Allradfahrzeuge zugelassenen Hochlandstraßen gut fahren können und dass Flussfurten kein Problem sind. Wir sind auf den Geschmack gekommen. Im Hochland zu fahren ist schon abenteuerlich und eine kleine Herausforderung. Das Wetter soll auch in den nächsten zwei Tagen stabil bleiben und so schmieden wir Abends neue Pläne. Wir wollen zurück zur Westküste und wählen die Hochlandpiste F208. Sie geht von der Ringstraße ab zur Eldgjá Spalte, dem Wasserfall Ófærufoss, zum Landmannalaugar und erreicht schließlich die geteerte Straße 32, die dann zum sogenannten Golden Circle weiter führt.
Am frühen Morgen machen wir uns auf, die 120 Kilometer Hochlandpiste an einem Tag zu schaffen. Das erste Zwischenziel ist der Ófærufoss, ein toller Wasserfall, bei dem sich der Norðari-Ófærá aus einer Hochebene in die Erdspalte Eldgjá in zwei Stufen stürzt. Die Eldgjá Erdspalte ist in den Jahren 939/40 ausgebrochen. Es muß damals eine noch verheerendere Eruption als die der Laki Spalte gewesen sein und sie muß große Teile des damals gerade spärlich besiedelten Islands vernichtet haben. Direkte Aufzeichnungen oder Überlieferungen dieser Katastrophe gibt es nicht, nur Geologen konnten den genauen Zeitpunkt datieren und den Verlauf erklären.
Wir fahren weiter auf der F208 ins Gebiet Landmannalaugar mit gleichnamigem Campingplatz am Rande des Friðland að Fjallabaki Naturreservats. Hier gibt es nicht nur eine rudimentäre Übernachtungsmöglichkeit sondern auch heiße Quellen und einen heißen Badepool im Freien, in dem man sich legen und entspannen kann. Der Campingplatz von Landmannalaugar ist Ausgangspunkt für mehrtägige Wanderungen in das Vulkangebiet im Friðland að Fjallabaki Naturreservat bis zum gefährlichsten und größten Vulkan Islands, dem Hekla im Westen.
Der Golden Circle, auf den wir jetzt fast zwangsläufig stoßen, ist eine Rundstrecke, die bei jedem Islandtouristen sicher auf der Agenda steht, denn sie ist mit dem normalen Auto von Reykjavik aus an einem Tag gut zu schaffen. Wir besuchen den Gullfoss Wasserfall, das Thermalfeld des Geysir und Strokkur und das nationale Monument Þingvellir am Nordufer des Þingvallavatn Sees. Überall wo wir halten ist viel Betrieb. Volle Parkplätze und Scharen an Besuchern aus allen reichen Ländern dieser Erde. Wir reihen uns also auch ein in die Schlange der Touristen und sind besonders vom Gullfoss begeistert. Hier stürzt sich der wasserreiche Hvítá Fluss auf breiter Front in eine tiefe Erdspalte. Das Geysir und Stokkur Gebiet mit einigen heißen Quellen kann man besuchen, muß es vielleicht nicht, ehe man weiter zum Þingvellir fährt.
Þingvellir ist ein nationales, isländisches Monument, das sich im breiten Graben einer Grabenbruchzone der nordamerikanischen und europäischen Kontinentalplatte befindet. Hier wurde seit 930, also kurz nach der Besiedlung der Insel durch norwegische Wikinger, zweimal im Jahr die traditionelle Versammlung der Freien Männer Islands abgehalten um gesetzgeberische und gerichtliche Angelegenheiten zu regeln. Þingvellir gilt als ältestes Parlament der Welt außerhalb Griechenlands und des Römischen Reiches. An diesem Ort wurde um 1.000 nach Christus von den Isländern die Annahme des Christentums beschlossen und am 17. Juni 1944 die Unabhängigkeit von Dänemark und die Republik Island ausgerufen.
Bei verhangenem Himmel und Dauerregen machen wir einen Abstecher auf die Halbinsel Snæfellsnes nördlich von Reykjavik und fahren dann wieder Richtung Osten, ins Landesinnere. Durch Zufall stoßen wir auf den Wasserfall Hraunfossar. Jetzt im Herbst, wo die Sträucher sich rötlich verfärbt haben, ist dieser Wasserfall ein großes Erlebnis. Die weiße Gischt und die Farbe der Vegetation; das sieht einfach großartig aus! Wir müssen jetzt etwas auf die Zeit achten. Die 10 Tage auf Island sind fast rum. und wir wollen noch in Reykjavik vorbei schauen.
Wir können es trotzdem nicht lassen und fahren zum Landjökull Gletscherfeld hoch, um noch ein letztes Mal auf Gletschereis zu stehen. Dann entdecken wir im Reiseführer bei der Ortschaft Hveragerði am Rande des örtlichen Geothermalpark, dass dort heiße Quellen sprudeln und man ein entspannendes Thermalbad nehmen kann. Die letzte Nacht war besonders kalt und unsere so hochgeschätzte Webasto Standheizung im Camper funktionierte wieder mal nicht. Es ist also eine gute Idee ein warmes Entspannungsbad im Freien zu nehmen und dann nach Reykjavik zu fahren.
Reykjavik ist die Hauptstadt Islands und die nördlichste Hauptstadt auf der Welt. Für unsere Verhältnisse ist Reykjavik mit seinen etwa 125.000 Einwohnern eine kleinere Großstadt, die etwa so viele Bewohner hat wie Koblenz, allerdings auf bedeutend größerer Fläche. Von der schweren Wirtschaftskrise von 2008, die Island fast in den Bankrott getrieben hat, merkt man in Reykjavik wie auch im übrigen Land nichts mehr. Überall stehen Baukräne und an vielen Stellen wird neu gebaut oder renoviert. Wir finden einen günstigen Parkplatz im Zentrum der Stadt und besuchen den ehemaligen Hafen und das isländische Parlament, die avangardistische Philharmonie und die 1945 gebaute, evangelisch-lutherische Kirche Hallgrímskirkja. Am späten Nachmittag fahren wir wieder raus zum Campingplatz in Grindavík, zu dem Ort an dem wir unser 10 Tage Islandabenteuer begonnen haben. Rückblickend können wir gar nicht glauben, was wir in dieser kurzen Zeit alles erlebt haben.
Unsere etwa 2.200 Kilometer lange Tour durch das südliche Island in 10 Tagen als gpx-Track findet sich zum Download hier:
Island_Track_2018 (886,6 KiB, 603 hits)
Schlagworte: Island
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