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Schottland, von der englischen Grenze nach St. Andrews

Es ist Anfang Juli und schon seit geraumer Zeit drückend heiss. Eine südliche Luftströmung schaufelt heisse Mittelmeerluft nach Deutschland und läßt die Temperaturen im Rheinland auf fast 40° steigen. Wir packen für unsere Schottlandreise. Hier liegt die höchste, je gemessene Temperatur bei etwa 32°, normal ist im Sommer 20°. Wir freuen uns auf eine herbe Abkühlung.

Schottland, im Norden des Vereinigten Königreichs, ist erstaunlich klein. Mit allen Inseln, den inneren und äußeren Hebriden im Westen und den Orkneys und Shetlands im Norden ist Schottlands Fläche nur etwas größer als die Bayerns. Andererseits leben hier nur 5,5 Millionen Menschen aber in Bayern mehr als doppelt so viele. Wir erwarten deshalb ein eher dünn besiedeltes Land mit Aussnahme der Region um Edinburgh und Glasgow. Wir wissen dabei natürlich, dass dieses Land eine Jahrhunderte alte, von England eigenständige Kultur hat und, weshalb man insbesondere nach Schottland fährt: Wir erwarten eine gigantisch schöne Landschaft.

Wir wollen mit unserem eigenen Auto und dem aufs Dach montierten Overland Dachzelt reisen, genauso wie letztes Jahr ins Baltikum. Da Großbritannien eine Insel ist muss man das Auto irgendwie übers Wasser kriegen. Da fällt einem sofort der Tunnel zwischen Calais und Dover ein. Wir wollten aber nicht auch noch 700 Kilometer durch England reisen und entscheiden uns für die DFDS Nachtfähre von Ijmuiden/Amsterdam nach Newcastle im Nordosten Englands. Den Preis für die einfache Fahrt inklusive Auto, 3 Erwachsene und eine 4er Aussenkabine von 450€ in der Hauptsaison halten wir für fair. Abfahrt 17:30, Ankunft 9:00 Uhr UTC Zeitzone. Das passt.

Frisch und ausgeruht fahren wir im Fährhafen von Newcastle von der ‚King Seaways‘ Fähre runter, und sicher dirigiert uns das Navi zur schottisch/englischen Grenze auf der Landstraße A68. Vorher passieren wir den Hadrianswall, den der römische Kaiser Hadrian im 2. Jahrhundert zwischen Newcastle im Osten und Carlisle im Westen zum Schutz der römischen Provinz Britannia gegen die im Norden lebenden Pikten erbauen liess, und wir fahren gemütlich durch so manches nette, typisch englisch anmutende Dörfchen in der englischen Grafschaft Northumberland. Und dann erreicht man auf einer Bergkuppe die Grenze zwischen England und Schottland. Das englische Georgskreuz rechts und das schottische, blau-weiße Andreaskreuz als nationale Flaggen sind schon von weitem zu sehen; eine Imbissbude mit dem treffenden Namen ‚The Borderer‘ lädt auf eine Erfrischung ein aber auch zum innehalten und zum genießen der herrlichen Aussicht in die hügelige Landschaft der ‚Southern Uplands‘ Schottlands.

Die erste Etappe unserer Reise durch Schottland führt zu den alten Klosterruinen Jedburgh, Melrose, Dryburgh und Kelso Abbey im Süden, dann weiter nach Edinburgh, entlang des Nordufers des Firth of Forth, dem Fjord an dem die Hauptstadt Edinburgh liegt bis hinauf in die alte Universitätsstadt St. Andrews.

Die Geschichte Schottlands ist von Konflikten mit dem übermächtigen südlichen Nachbarn England geprägt. Immer wieder gab es im Mittelalter Überfälle der englischen Könige auf die südlichen Provinzen Schottlands und umgekehrt, bis im Jahr 1603 der schottische König Jakob VI., Sohn Maria Stuarts, als James I. in natürlicher Erbfolge auch den englischen Thron bestieg. James I. war schottischer, englischer und irischer König in Personalunion und damit der Gründer des Vereinigten Königreichs. Er nannte sein Reich als erster Großbritanien und führte den heute geläufigen Union Jack als Staatsflagge ein. Dabei ist der Union Jack eine geschickte Überlagerung der Fahnen Englands, Schottlands und Nordirlands. Trotzdem blieben England und Schottland eigenständige Königreiche. Erst 1707 im ‚Act of Union‘ wurden die schottischen und englischen Parlamente und Königreiche formal aufgelöst und in das britische Parlament in Westminster und das Britische Königreich überführt. Trotzdem hängen viele Schotten auch heute noch einer nationalen schottischen Identität an. Die dominante Scottish National Party SNP gibt in Schottland diesem Willen auch die politische Power. Im Jahr 1997 führte eine Volksbefragung zur Wiedereinführung des schottischen Parlaments und zu einer weiteren Stärkung einer schottischen Teilautonomie im Vereinigten Königreich. Das von der SNP betriebene Referendum zur politischen Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien scheiterte im Herbst 2014. Trotzdem wird weiterhin überall in Schottland die nationale Identität betont und die Abneigung gegen England gepflegt. Das schottische, blau-weiße Andreaskreuz ist auf vielen Fahnenmasten und Autokennzeichen zu sehen, der Union Jack eher gar nicht. An manchen Häusern auf dem Lande hängt immer noch das YES Banner, das die Unterstützung des Unabhängigkeitsreferendums von 2014 zeigen soll. Auch die Abneigung der Schotten gegen die Engländer und umgekehrt ist weit verbreitet. Die Schotten halten die Engländer für unaufrichtig und verschlagen, umgekehrt meinen Engländer, dass Schotten etwas rückständig sind und mit ihrem Lowland Scots die englische Sprache unverständlich verhunzt haben. Trauen kann man nach englischer Meinung den Schotten auch nicht: Wir wurden in Nord-England mehrfach gewarnt, dass manche Tankwarte und Geschäftsleute in Schottland gedruckte Banknoten nicht akzeptieren. Sie könnten gefälscht sein und Schotten kann man eben nicht trauen.

Wir hatten weder mit Schotten noch mit Engländern Probleme. Die Menschen beiderseits der Grenze, die wir trafen, waren freundlich, höflich und aufmerksam aber nie aufdringlich. Die Problemzone Schottlands für uns Touristen ist eher das Wetter. Es ist nicht die Kälte im Juli, denn der Golfstrom läßt das Land nicht wirklich auskühlen. Es ist der Regen und der Wind. Mit Regen, Schauer und Nieselregen, muss man immer rechnen, auch wenn die Sonne scheint und man am Himmel meint, keine Wolke zu sehen. Der böige Wind kann die Regentropfen von weither antreiben und auch manch perfekte, wetterbeständige Kleidung in Kürze aufweichen. Nach einiger Zeit aber passt man sich der Situation an, rennt nicht gleich los wenn es was zu sehen gibt sondern schnappt sich erst einmal die bereit liegenden Regensachen. Dann akzeptiert man auch, dass zu der wilden schottischen Landschaft saftige, tief grüne Graslandschaften und fetzige Regenwolken mit Flecken eines strahlend blauen Himmels dazu gehören.

Den ersten richtigen Regenschauer erlebten wir am Smailholm Tower auf halber Strecke zwischen Keslo und Melrose Abbey. Smailholm Tower ist einer von einer Reihe alter Signaltürme, die im ausgehenden, späten Mittelalter entlang der englisch-schottischen Grenze gebaut wurden. Besteigt man den Turm so hat man einen fantastischen Ausblick in die umliegende Landschaft. Eigentlich ist Smailholm Tower berühmt durch den schottischen Nationaldichter Sir Walter Scott geworden, der während seiner Jugend hier häufig seinen Großvater besuchte. Sir Walter Scott verarbeitete viele Ereignisse aus der schottisch-englischen Geschichte zu spannenden Romanen. Aus meiner Kindheit kenne ich noch die Serienfilme Ivanhoe, die im Nachmittagsprogramm des deutschen Fernsehens mit dem Schauspieler Roger Moore als Ritter hoch zu Ross mit einer prägnanten Eingangsmusik liefen. Die Romanvorlage stammt von Sir Walter Scott. Alle, die nostalgische Erinnerungen an diese Filme haben, hier die Eingangsmusik:

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Im Mittelalter, also im 12. und 13. Jahrhundert hatten Klöster eine enorme politische und ökonomische Bedeutung in Europa. Und das gilt auch für Schottland. Im Süden des Landes war der katholische Glaube damals gut etabliert und die Bevölkerungsdichte viel höher als in den kargen Highlands des Nordens. Von England kommend und von den schottischen Königen gefördert wurden im Süden des Landes Klöster gegründet.

Gleich vier, nämlich Jedburgh, Melrose, Dryburgh und Kelso Abbey liegen in einem Areal mit weniger als 30 Kilometer Abstand. Die gotische Baukunst hatte sich gerade in Frankreich entwickelt und ihre frühe Bauform kann man in Jedburgh aber auch den anderen sakralen Bauten bewundern. Die Klöster hatten es schwer im unruhigen Grenzgebiet zwischen Schottland und England. Immer wieder zogen englische Truppen plündernd durch das Gebiet und verschonten die Klösterbauten mit ihrem Reichtum nicht. Zuerst versuchte man die Schäden wieder auszubessern doch mit der Zeit zerfielen die Bauwerke. Die um die Klöster entstandenen Ortschaften verwendeten Teile des Kirchenschiffs meistens noch als Kirche für den sonntäglichen Gottesdienst und bewahrten so die Ruinen vor dem totalen Verfall. Heutzutage werden sie von Historic Scotland liebevoll in Stand gehalten. Die parkähnlichen Anlagen der Denkmäler, die wuchtigen Ruinen und die dezenten Erläuterungen auf Schautafeln lassen den Besucher weit entgleiten ins ferne Mittelalter. Jede der vier Abbeys hat eine besondere Geschichte und Identität als Denkmal und ist einen Besuch allemal wert! Einen zentralen Campingplatz zum Übernachten ist der Melrose Gibson Park Caravan Club Site in Melrose. Nett im Ort gelegen am Melrose Rugby Football Club kann man von hier aus sogar zu Fuss die Melrose Abbey erreichen. Allerdings ist der Platz sehr gefragt und eine Reservierung erforderlich.

Wir fahren weiter nach Edinburgh. Im Süden der Stadt übernachten wir im Mortonhall Caravan & Camping Park, wobei Park wörtlich zu nehmen ist. Sehr schön und ruhig gelegen im Grünen ganz am Rand von Edinburgh ist dieser Platz ideal zum übernachten. Komfortabel nimmt man anschließend den öffentlichen Bus an der Frogstone Road und läßt sich ins Zentrum Edinburghs fahren.

Edinburgh ist seit dem 15. Jahrhundert Hauptstadt Schottlands und Edinburgh Castle, auf einem Basaltkegel über der Neustadt gelegen, der traditionelle Hauptsitz der schottischen Könige. Hier kann man, allerdings mit vielen anderen Touristen aus aller Welt, die Kronjuwelen Schottlands, also Krone, Schwert und Zepter bewundern und, wenn man im August die Stadt besucht, vielleicht auch das berühmte Edinburgh Military Tattoo, eine Art Zapfenstreich, genießen.

Das heutige Edinburgh ist eine attraktive Stadt mit viel Kultur, einer modernen Universität, vielen netten Restaurants und Bars und eine Menge touristischer Attraktivitäten. Demzufolge ist es fast überall voll; man muß sich meistens in die Menschenschlangen einstellen und geduldig warten. Man wird den Berg hoch auf Edinburgh Castle gehen, dann in der angegliederten Altstadt sich vielleicht nach einem echten Scotch Whisky umsehen. Anschließend steigt man hinunter in die Neustadt, besucht ein nettes Restaurant und steigt anschließend den Calton Hill hinauf. Wir fanden besonders auch den Besuch der St. Giles Cathedral lohnenswert. Hier hatten es uns besonders die leuchtenden Glasfenster der Kathedrale angetan.

In Edinburgh kann man Tage verbringen, wenn man kulturell, historisch oder auch kulinarisch interessiert ist. Wir fanden es aber auch anstrengend, uns immer wieder anzustellen und zum Castle oder Calton Hill rauf und runter zu laufen. Nach zwei Tagen entschlossen wir uns daher, weiter zu fahren. Wir überquerten den Meeresarm Firth of Forth, an dem Edinburgh liegt, auf der Forth Road Bridge, einer riesigen Hängebrücke aus den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts und fuhren dann am nördlichen Ufer des Firth of Forth entlang, durch nette Fischerdörfchen zur alten Universitätsstadt St. Andrews.

St. Andrews, ein kleines, schottisches Städtchen von weniger als 20.000 Einwohnern, ist Sitz der ältesten Universität Schottlands und neben Oxford und Cambridge die dritte Elite Universität im Vereinigten Königreich. Die Universität prägt die Kleinstadt enorm, sowohl durch die vielen Studenten im Stadtbild als auch durch die überall präsenten, historischen Universitätsgebäuden.

St. Andrews hat aber auch noch mehr zu bieten: Es ist der Ursprung des Golf Sports. Alle fünf Jahre kommt dieser Sport zurück zu seinen Ursprüngen, Back Home wie man in St. Andrews sagen würde. Dann im Juli finden die British Open hier statt und die Stadt platzt aus allen Nähten. Und 2015 war wieder so ein Jahr. Eine Woche vor Beginn der diesjährigen Wettbewerbe trafen wir in St. Andrews ein und mussten erst einmal intensiv einen Campingplatz suchen, der uns noch aufnehmen wollte. In der Stadt war man emsig damit beschäftigt, Tribünen und Kommunikationsstrukturen aufzubauen und Parkverbotsschilder aufzustellen. Wir schauten uns die Stadt an und die am Nordseeufer gelegene Burg und Kathedrale. Auch sie stammen aus dem Mittelalter, sind jedoch im Zuge der schottischen Reformation stark zerstört worden und sind heute als imposante Ruinen zu besichtigen.

Jetzt aber genug der vielen Worte und es sollen Bilder sprechen, bevor der zweite Artikel über Schottland die schottischen Highlands zu Thema hat.



Am Schluß des Artikels gibt es den GPS Track File unserer Schottland Reise ab/bis etwa Köln hier zum Download:

  TrackScotland (2,0 MiB, 1.417 hits)

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  1. Elke’s Avatar

    Hallo Friedrich, Deine Bilder machen Lust auf Schottland. Wenn Jo seine Regenphobie überwunden hat, werden wir Schottland bestimmt auch mal als Reiseziel anvisieren.
    LG Elke

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