Mit Mallorca verbinden wir Urlaub, günstige Pauschalreisen, angenehmes mediterranes Klima und Massentourismus. Das ist sicher alles richtig aber nicht die ganze Geschichte.
Die Herbstferien in diesem Jahr dauern 2 Wochen und liegen im Oktober. Wir wollen noch mal für ein paar Tage weg; einfach in die Sonne. Bislang haben wir Mallorca immer verschmäht und unsere Vorurteile gepflegt. Naja, die Insel ist geprägt vom Massentourismus, Betonburgen wohin man sieht. Hierhin fahren hauptsächlich Ballermänner und Rentner. Nichts für uns – oder doch? Nun ja, zehn Tage können wir es vielleicht aushalten und Teneriffa auf den Kanarischen Inseln und was uns sonst so eingefallen ist konnte uns auch nicht überzeugen; denn einen Vorteil hat Mallorca: Man kommt in etwa 2½ Stunden hin und die Flüge sind günstig.
Wir buchen für drei Personen Flüge mit dem irischen Billigflieger Ryanair ab Köln/Bonn nach Palma de Mallorca. Einen Mietwagen besorgen wir über das Mietwagenportal rentalcars.com und ein Häuschen auf der Insel finden wir bei Jutta’s Ferienfincas. Der Satz ‚Für Naturliebhaber und Ruhesuchende ist das Tal von Sóller der ideale Ort für die Urlaubszeit‘ auf der Webseite von Jutta’s Ferienfincas hatte es uns angetan und nach einigem Suchen fanden wir Casa Miguel, eine kleine Finca in den Bergen oberhalb von Port de Sóller.
Die Strecke vom Flughafen südlich von Palma nach Sóller ist nicht lang und die Straßen sind gut ausgebaut. Die ca. 30 Kilometer legen wir locker in einer halben Stunde zurück, fahren durch den kostenpflichtigen Tunnel unter einem Gipfel des Sierra de Tramuntana Gebirgszugs hindurch und halten an der nächsten Repsol Tankstelle am Ortseingang von Sóller.
Eine freundliche, deutsche Mitarbeiterin der Finca Vermittlungsagentur wartet dort schon auf uns und fährt auf ihrer roten Vespa flott voran, die Serpentinen hinauf Richtung Deià, biegt mehrmals ab und führt uns zu einem schön und ruhig gelegenen kleinen Ferienhäuschen.Die Finca liegt am Hang in einer alten Olivenplantage. Die Terrasse vor dem Eingang ist überrangt vom Blätterdach eines alten Weinstocks sodass man vor der intensiven Sonne im Hochsommer geschützt sitzen kann. Innen gehts von der Haustür gleich in den großen Wohnraum mit integrierter Küche, Ess- und Sitzecke. Parterre gibt es zusätzlich ein Schlafzimmer und ein Bad, im ersten Stock zwei Schlafzimmer und ein weiteres Bad. Genug Platz für eine Familie mit sechs Personen.
Miguel, der Besitzer des Hauses, erwartet uns schon auf der Terrasse. Er ist ein älterer Herr von 83 Jahren. Höflich und geduldig erklärt er uns alle technischen Einrichtungen des Hauses und wo wir Pfannen und Geschirr finden. Echte mallorquinische Häuser sind gedrungen gebaut mit grünen Klappläden damit die Hitze draußen bleibt, erfahren wir. Wasser ist ein knappes Gut auf der Insel also fängt man den Regen in Zisternen auf und eine an den Tank angeschlossene Elektropumpe springt erst an, wenn Wasser aus dem Wasserhahn fließt. Ein Notbrunnen für ganz trockene Zeiten gibt es auch, verdeckt und unscheinbar im großen Wohnzimmer. Miguel nahm sich viel Zeit. Verstanden wir einen Begriff nicht gleich so umschrieb er das Wort geduldig, bis wir kapiert hatten, was er uns sagen wollte. So lernten wir auch, dass die umliegenden, knorrigen Olivenbäume mindestens 300 Jahre alt sind, manche wohl noch von den Arabern angepflanzt wurden und dass die Mallorquiner früher Olivenbauern oder Piraten waren und dass seine Eltern nach der Olivenernte regelmäßig von Sóller nach Frankreich übersetzten, um das wertvolle Olivenöl und Zitrusfrüchte dort zu verkaufen. Miguel zeigt uns die selbst gebaute Grillecke und erklärt uns, dass wir das Grillholz selbstverständlich benutzen können. So geht die Zeit dahin bis wir den Eindruck hatten, dass wir jetzt in alle Schubladen, Hausnischen und Kammern eingewiesen worden sind und Miguel mit sich und uns als seine Mieter zufrieden war. Zum Schluss, bevor er ging, öffnete er den Kühlschrank und überreichte uns eine Flasche mallorquinischen Rotwein als Willkommensgeschenk. Wir waren überwältigt von so viel höflicher Gastfreundschaft wobei wir doch nur eine kurze, kühle und geschäftsmäßige Einweisung erwartet hatten.
Mit dem Auto mussten wir natürlich gleich am ersten Tag nach unserer Ankunft einen Teil der kurverreich gewundenen Passstrasse der Sierra de Tramuntana abfahren, die aus diversen Filmen und Werbevideos bekannt ist. Trotz ihrer nur maximal 1.400 Meter Höhe ist diese Bergkette im Norden der Insel schroff mit tief eingeschnittenen Tälern. Kleine Dörfer und Fincas am Meer sind fast abgeschnitten von der Restinsel und die Versorgung der kleinen Ortschaften erfolgt mit Schiffen.
Besonders atemberaubend zu fahren empfanden wir die Serpentinenstrecke von Sóller nach Sa Calobra mit dem berühmten Kravattenknoten, der im Vorspann zum Aktuellen Sportstudio des ZDF in einer kurzen Bildsequenz gezeigt wird. Der Kravattenknoten ist eine 270° Kehre, bei der die Ingenieure die Straße unter sich selbst durchgefädelt haben. Hat man sich dann endlich bis Sa Calobra durchgeschlängelt, sollte man das Auto abstellen, Wanderschuhe anziehen und in die malerische Schlucht Torrent de Pareis hineinwandern, bis Schilder das weitere Vordringen in entlegenere Teile der Schlucht untersagen.Fährt man weiter bis zur nordöstlichsten Spitze der Insel so endet die Fahrt am Cap de Formentor in einer bizarren Bergwelt mit steil ins Meer abfallenden Kalkfelsen. Unbedingt sollte man alle Aussichtspunkte auf der Strecke anfahren, die mit Schildern ‚Mirador‘ angekündigt werden. Es bieten sich immer atemberaubende Ausblicke auf weite Teile der Insel und der bizarren Küstenlinie.
Im Süden Mallorcas dominiert die Serres de Llevant das Landschaftsbild, eine grüne, hügelige Bergkette aus Kalk, die die Erosion rundgeschliffen und stark abgetragen hat. Die Landschaft ist bei weitem nicht so abweisend wie auf der anderen Seite Mallorcas und auch nicht so steil und unzugänglich und es ist daher nicht verwunderlich, dass man an dieser Küstenseite viele Bettenburgen, Wellness Hotels und Animationsparks findet, denn die vielen Urlauber wollen schließlich auch unterhalten werden.
Wir aber genießen lieber das wunderbare mallorquinische Städtchen Artà mit den engen Gässchen und den für diese Gegend typischen, in dezentem Oker gehaltenen Häuserfassaden und besuchen die Wallfahrtskirche Sant Salvador oberhalb des Ortes. Von hier oben aus hat man einen tollen, weiten Ausblick auf den östlichen Teil Mallorcas.
Der Weg um die Insel führt von Artà aus fast zwangsläufig nach Cala Rajada und zum Leuchtturm Far de Capdepera, wo die Straße und Mallorca endet.
Obwohl Cala Rajada vom Tourismus fast erdrückt wird, ist das Castell de Capdepera am Ortseingang auf jeden Fall einen Besuch wert. Hoch über dem Ort auf einem 160 Meter hohen Hügel kann man ein schön restauriertes mallorquinisches Wehrdorf aus dem 14. Jahrhundert besichtigen. Wieder wird man mit einem tollen Blick über die Landschaft in den Serres de Llevant belohnt.
Es geht weiter, entlang der Küste in südwestlicher Richtung. Wir fahren an gesichtslosen Badeorten wie Cala Millor vorbei bis wir in Porto Cristo auf zahlreiche, großflächige Hinweisschilder zu Tropfsteinhöhlen stoßen. In Gebirgen aus Kalkstein findet man meist auch Tropfsteinhöhlen und einige der schönsten und besterschlossensten in Europa findet man hier im Süden Mallorcas. Wir besuchen die Drachenhöhlen oder Coves del Drac in Porto Cristo. Mit etwa fünfzig anderen neugierigen Besuchern schlängeln wir uns durch die gut gesicherten Wege im Inneren des Kalkgesteins und staunen über die nett ausgeleuchteten Tropfsteinhöhlen und die glasklaren, grünlichen Seen. Höhepunkt ist bei solchen Führungen eine Bootsfahrt mit einem Streicherquartett, das klassiche Musik von Mozart spielt und die Zuschauer in der tollen Akustik der Höhle voll in seinen Bann zieht.
Weiter geht’s zum ehemaligen Fischerort Porto Colom, der trotz des Tourismus viel von seinem ursprünglichen Reiz erhalten hat. Im Hafen kann man in einem der vielen Restaurants einkehren mit Blick auf den alten Hafen des Ortes. Auf der andere Seite der Bucht, an der der Ort liegt, lohnt sich ein kurzer Stop am Punta de ses Crestes. Von hier hat man einen schönen Ausblick auf den Leuchtturm am Eingang der Bucht von Porto Colom.
Will man nach all diesen Erlebnissen den Tag beim Baden in einer herrlichen Bucht oder mit einem Spaziergang in einem Naturpark mit wild zerklüfteter Felsküste ausklingen lassen, bevor man zurück in die Finca fährt, sich dort auf die Terrasse setzt und bei einem Glas mallorquinischen Rotwein über all das Gesehene besinnlich nachdenkt, dann muss man ein paar Kilometer weiter an der Küste entlang fahren, in den Parque natural de Mondragó.
Mallorca hat viele Facetten und bietet dem Besucher was er sich erträumt. Für den jungen, erlebnishungrigen Touristen ist vielleicht Ballermann 6 am Platja de Palma im Ortsteil S’Arenal nahe am Flughafen von Palma de Mallorca das Richtige. Möchte man eine Kathedrale und eine Festung, das Castell de Bellver hoch über Palma de Mallorca besichtigen und in einer angenehm herausgeputzten, spanischen Altstadt einkaufen, dann muss man Palma de Mallorca, die Hauptstadt der Insel besuchen. Hat man Geld und traut sich auf das Mittelmeer hinaus, dann kann man sich eine Motoryacht oder ein Segelboot mieten und in unzugänglichen Buchten auf der Nordseite der Insel vor Anker gehen und sein persönliches Paradies genießen. Will man als Sportler seinem Körper alles abverlangen, packt man sein Rennrad ins Flugzeug und quält sich über die Passstraßen im Sierra de Tramuntana.
Wir entscheiden uns fürs Wandern. Mallorca bietet viele Wanderwege ohne extreme, sportliche Ansprüche an den Wanderer zu stellen. Man kann seine Touren sehr gut mit Kartenmaterial aus lokalen Geschäften planen oder sich im Internet umschauen und gleich die GPS Tracks in sein Navi laden. Hier ist übrigens besonders die Internetseite outdooractive.com zu empfehlen. Wir entscheiden uns für den ‚Reitweg des Erzherzog Ludwig Salvator‘. Vom schönen Dörfchen Valldemossa startet man zu diesem spektakulären, 10 Kilometer langen Rundweg durch uralte Olivenhaine mit vielen tollen Ausblicken auf die Küste. Ein anderer Wanderweg, den wir auch sehr empfehlen können, startet am Eingang von Port de Sóller. Mit dem Bus fahren wir zum Mirador de Ses Barques und starten zu einer 10 Kilometer langen Wanderung auf einem Panoramapfad hoch über dem Meer zur Bucht Cala Tuent. Hier kann man sich ausruhen, baden oder im Restaurant nett essen. Zur Rückfahrt nach Port de Sóller am späten Nachmittag nehmen wir das Schiff, das von Sa Calobra in Cala Tuent einen Zwischenstopp einlegt um Touristen aufzunehmen und alle heil zurück in den Hafen von Port de Sóller zu bringen.
Kamen wir mit vielen, dummen Vorurteilen nach Mallorca so fahren wir zurück nach Deutschland als Mallorca Fans. Die Menschen sind freundlich, die Preise sind fair und die Insel bietet eine gute Infrastruktur. Ein Aufenthalt auf der Insel kann sehr vielseitig sein und man kann viel unternehmen. Außerhalb des Hochsommers ist das mediterrane Klima sehr angenehm; man kann bis spät Abends draußen sitzen. Als Miguel zum Abschied noch einmal vorbei schaut haben wir uns entschieden: Im Herbst 2015 kommen wir wieder zur Casa Miguel!
Nun ist es genug der vielen Worte und ich möchte Fotos sprechen lassen!
Am Schluß des Artikels gibt es den GPS Track File unserer Mallorca Reise hier zum Download:
Mallorca (1,0 MiB, 1.144 hits)
und wichtige und nützliche Wegepunkte findet man hier als Garmin gpx-File.
MallorcaWegepunkte (2,5 KiB, 1.021 hits)
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