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Irland. Der Norden

Nach zwei Wochen verließen wir unser liebgewonnenes Cottage auf der Insel Valentia um mit dem Mietauto die irische Küste hinauf in den Norden zu fahren. Uns begleiten dabei die Erinnerungen an zwei aussergewöhnliche Bücher über Irland, die wir in ruhigen Abendstunden in unserer Ferienwohnung gelesen haben.

Auf allen Reisen nehmen wir eBooks mit. Sie wiegen wenig, liegen gut in der Hand und man kann komfortabel Literatur aus dem großen Fundus eines weit entfernten Servers auf das kleine Gerät in der eigenen Hand laden.

Jedem, der seinen Urlaub in Irland verbringt und sich für das Leben der Iren interessiert sei die Autobiografie Franck McCourts empfohlen. In den zwei Romanen „Die Asche meiner Mutter“ und „Ein rundherum tolles Land“ beschreibt der Autor eindrucksvoll und spannend das Leben seiner irischen Familie in den 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts in Irland und später in den USA. Die entsetzliche Armut vieler irischer Familien in der damaligen Zeit ist ein zentrales Thema der Bücher, die Rolle der katholischen Kirche, der Alkohol und die Sehnsucht nach einem besseren Leben in England, Amerika oder Australien werden lebensnah beschrieben und verbinden sich mit den Eindrücken, die man vor Ort selbst aufnimmt. Die armseligen Lebensbedingungen, die Franck McCourt beschreibt sind im heutigen Irland sicher Vergangenheit. Trotzdem kann der Reisende seine Augen nicht vor den Folgen der letzten Wirtschaftskrise, die Irland hart getroffen hat verschließen. Viele Häuser überall im Land tragen Schilder mit der Aufschrift ‚For Sale’/’Zu Verkaufen‘ und in den Aussenbezirken der Städte verfallen ganze Batterien von Bauruinen, die als schmucke Reihenhäuser geplant waren und jetzt graue verfallende Rohbauten sind. Besonders die Stadt Limerick, in der Franck McCourt seine Kindheit verbracht hat, wirkte auf uns trostlos mit vielen verfallenden Kleinbetrieben und geschlossenen Läden deren Schaufenster mit Spanplatten vernagelt sind. Ein Besuch in Limerick läßt den Besucher sofort verstehen, warum so viele Iren früher aber auch noch heute ihre Heimat verlassen um in der Neuen Welt von Amerika bis Australien ein neues Leben zu beginnen um der wirtschaftlichen Trost- und Hoffnungslosigkeit in ihrer Heimat zu entkommen.

Unsere Reise führt uns den größten Fluss Irlands, den Shannon hinauf nach Limerick und von dort aus ins kleine Städtchen Ennis. Ennis ist eine typisch irische Kleinstadt. Viel Blumenschmuck, viele kleine, bunt bemalte Häuser in denen Läden und Pubs sich abwechseln. Eine Burgruine, eine Klosterkirche und die O’Connell Straße mit dem O’Connell Denkmal im Zentrum runden das Bild eines irischen 20.000 Einwohner Städtchens ab. Wir übernachten im Rowan Tree Hostel direkt am River Fergus gelegen und können uns zu Fuss die Innenstadt anschauen und Abends in ein irisches Pub einkehren.

Ennis ist ein idealer Ausgangspunkt für eine Tagesfahrt zu den berühmten ‚Cliffs of Moher‘. Bei den ‚Cliffs of Moher‘ handelt es sich um eine imposante Steilküste, die sich 200 Meter über dem tosenden Meer des Atlantiks erhebt. Riesige Steinplatten hängen über die Kliffkante hinaus und besonders wagemutige Touristen robben sich, auf dem Bauch liegend, vorwärts bis sie direkt in den Abgrund schauen können. Erinnerungsfotos werden davon geschossen mit teuren Profikameras, Smartphones, Handys aber auch großen Tablets. Der Wind bläst mächtig über den Kliffrand und sorgt so zusammen mit den niedrig hängenden Regenwolken für eine harsche, typisch irische Atmosphäre.

Den schmalen Weg an den Klippen entlang wird man mit vielen anderen Touristen teilen. Große Busladungen aus dem ca. 250 Kilometer entfernten Dublin werden hierher gefahren und sie entleeren ihre Passagiere auf dem nahe gelegenen Parkplatz und alles strömt zu den Klippen. Alle Nationen und alle Hautfarben sind vertreten, ein Stimmengewirr verschiedenster Sprachen schwirrt durch die Luft. Auf dem schmalen Kliffweg begegnen sich Menschenströme der Kommenden und Gehenden; der Platz ist eng, Kollisionen unvermeidlich. Aber kein Zweifel: Ein Besuch lohnt sich immer! Nur Einsamkeit wird man hier nicht finden. Sie gibt es in Irland anderswo.

Im Norden des ‚Cliffs of Moher‘ schließt sich ‚The Burren‘ an. Dies ist eine extreme Karstlandschaft aus Kalkstein ohne Baum und ohne Strauch. Dies ist das Gebiet, in dem man keinen Mann hängen, ertränken und falls er doch tot ist ihn nicht einmal begraben kann wie unser Reiseführer diese karge, hügelige Steinlandschaft zutreffend beschreibt. Ist Irland eigentlich ein recht zersiedeltes Land so gibt es hier keine in der Landschaft freistehenden Häuser. Ja selbst die sonst so allgegenwärtigen Schafe sind rar.

Dann plötzlich vor uns ein großer Parkplatz und wieder Busse die Besucher aus- und einladen. Wir stoppen, gehen den anderen Menschen nach und sehen ein steinzeitliches Dolmen, eine Grabstätte, die Menschen vor über 3000 Jahren errichtet haben. Jetzt verstehen wir: Tote kann man nicht begraben aber doch ehrenvoll zur Ruhe betten – über, auf und unter den Steinen.

Ist schon Ennis ein hübsches, irisches Städtchen so ist das etwas nördlicher gelegene Galway nicht so provinziell aber ebenso nett einladend wie Ennis. Der Hafen, die farbenfrohe Innenstadt, die Kathedrale sind so attraktiv, dass sogar Kreuzfahrtschiffe in Galway anlegen. Unser Reiseführer stellt uns die irische Großstadt mit ihren 75.000 Einwohnern als weltoffen und voller junger Studenten aus aller Herren Länder vor. Richtig, so haben wir es auch erlebt. Aber Galway zieht auch viele Touristen an, die sich im Sommer durch das Zentrum drängen. Trotzdem bewahrheitet sich auch hier unsere Reiseerfahrung: Wo viele Touristen sind gibt es auch etwas zu sehen und da sollte man hin.

Der Nordwesten Irlands mit den Counties Galway, Mayo und ganz im Norden Donegal ist dünn besiedelt, einsam und sehr ländlich geprägt. Hier findet man tausend herrliche Sandbuchten, Steilküsten und bizarre Felsen, die sich dem tosenden Atlantik seit tausenden von Jahren entgegen stemmen. Ein Höhepunkt ist in der Region Connemara der gleichnamige Nationalpark Connemara. Er liegt 70 Kilometer westlich von Galway und er bietet tolle Wanderwege in diese an Schottland erinnernde Landschaft. Klettert man den alles überragenden Diamond Hill hinauf bietet sich dem Wanderer ein atemberaubend weiter Blick hinunter zur Atlantikküste oder, wenn man sich um 90 Grad dreht, weit ins hügelige Hinterland hinein.

Schon vom Diamond Hill aus sieht man hinunter auf die berühmte Kylemore Abbey mit ihren weiten Gartenanlagen. Gegründet als Kloster im 17. Jahrhundert wurde das Anwesen von einem Industriellen aus Manchester erworben und Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem prächtigen Schloss mit Gartenanlagen und weitläufigem Park umgebaut. Das Schloss Kylemore Abbey sollte als Ruhesitz der Familie dienen. Doch die Familie verlor schnell das Interesse und die Anlage kam letztlich in den Besitz eines Benediktiner Nonnenordens. Die Nonnen betrieben bis 2010 in einem Seitenflügel eine der teuersten Internatschulen für Mädchen. In unserem Reiseführer steht, dass die Sängerin Madonna überlegt hatte ihre Tochter auf diese exklusive Schule zu schicken. Wir können es kaum glauben: Madonna und katholische Nonnen das passt doch nicht zusammen – oder doch?

Unsere Reise geht weiter über die Stadt Sligo nach Donegal wo wir im Hostel ‚Independent‘ bei Linda und Andy übernachten. Das Städtchen Donegal ist für uns das Eingangstor in das gleichnamige County Donegal. Diese Region im äußersten Nordwesten der Republik Irland ist der ideale Ort für Menschen, die beeindruckende Steilküsten, Dünenlandschaften aber auch tolle Buchten eingerahmt von massiven Felsen suchen und dabei die Einsamkeit lieben. Die Steilküste der Slieve League sind eine echte Alternative zu den Cliffs of Moher und die Silvermoon Bay am Malin Beg, die man als Eingangsbild zu diesem Artikel sieht, sind ein echter Höhepunkt.

Wir übernachten im Hostel Áras Ghleann Cholm Cille. Das Áras Ghleann Cholm Cille soll an dieser Stelle nicht nur wegen des freundlichen Personals besonders erwähnt werden. Dieses Hostel hat mit Abstand die größten Zimmer, die wir in einem Hostel je gesehen haben. Besonders unser Bad war riesig mit mehreren Waschbecken, Dusche und einer großen Badewanne. Aber auch die recht einsame Lage des Hostels und die Nähe zur spektakulären Küste lädt zum längeren Verweilen ein.

Unsere Reise führt uns weiter die Donegal Küste hinauf. Wir besuchen den Glenveagh National Park, der etwas westlich von Letterkenny gelegen ist. In diesem Park liegt das für Exzentriker von Exzentrikern erbaute Glenveagh Castle, dessen Geschichte sehr schön und lesenswert in diesem Spiegel Online Artikel beschrieben wird. Glenveagh Castle selbst, den weitläufigen Garten und den angeschlossenen Park kann man besichtigen; das Anwesen ist auf jeden Fall ein Besuch wert.

Wir ziehen weiter zum nördlichsten Punkt der irischen Insel, Marlin Head und überqueren bei Londonderry die unsichtbare Grenze zu Nordirland, das zum Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland gehört. War es an der Küste Donegals in der Republik Irland einsam, verschlafen und wirtschaftlich nicht sonderlich entwickelt so ist die nordirische Seite, die Causeway Coast sehr touristisch erschlossen. Die Preise, nun in britischen Pfund, sind höher, die Golfplätze größer und gepflegter und es gibt nette Strandpromenaden in den Ortschaften an der Küste, die man sich mit vielen anderen Touristen teilt.

Wir besuchen das Dunluce Castle, eine Verteidigungsanlage, die die Engländer zur Kolonisierung Irlands erbauten und die Giants Causeway. Die einzigartigen, hexagonalen Säulen, die man hier an der Küste findet und die viele neugierige Touristen anziehen haben ihren Ursprung in einem großen Lavasee, der vor vielen Millionen Jahren an dieser Stelle sehr langsam erkaltete und dabei symmetrische hexagonale Bruchlinien an der Oberfläche ausbildete, die Ursprung der Sechsecksäulen sind.

Unsere Irlandreise nähert sich langsam dem Ende. Wir fahren zurück nach Dublin, besuchen aber noch die Hügelgräber von Newgrange, die etwa zwei Autostunden nördlich von Dublin liegen. In einem netten Visitor Center wird dem Besucher die ganz frühe Besiedlung Irlands erklärt und in einem Nachbau eines Hügelgrabes kann man sich durch die engen Gänge einer solchen Anlage zwängen.

Irland sollte man nicht bereisen ohne Heinrich Bölls ‚Irische Tagebücher‘ im Lesegepäck mitzuführen. Seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts entfloh Böll regelmäßig dem turbulenten Großstadtleben seiner Heimatstadt Köln um in Irland Ruhe und Erholung zu finden. Er beschreibt in faszinierender, liebenswerter und mitfühlender Art und Weise die irische Landschaft und das (damalige) Leben der Menschen in der Stadt und auf dem Land. Leseprobe gefällig? Dann hier klicken.



Am Schluß des Artikels gibt es die Spur unserer Irlandreise als GPS Track File hier zum Download:

  Irland2013 (1,8 MiB, 1.121 hits)

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