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Argentinien, zurück nach San Carlos de Bariloche

Wir verlassen El Chaltén und die imposanten, von Gletschern wild geformten Berge des Fitz Roy Massivs. Es geht nordwärts, zurück zu unserem Ausgangspunkt San Carlos de Bariloche.

Uns beschleicht Wehmut: Hatten wir uns zuerst schwer mit Argentinien getan, mit seiner eintönig wirkenden Steppenlandschaft, seinen Versorgungsengpässen bei Benzin und Geld aus Geldautomaten, seinen uns völlig ungewohnten Ein- und Ausreiseformalitäten an den Landesgrenzen zu Chile so ist uns das Land mittlerweile ans Herz gewachsen. Die Menschen haben uns überzeugt durch ihre nette, höfliche und hilfsbereite Wesensart. Sie haben viel, viel Zeit uns Dinge zu erklären, die wir in ihrem argentinischen Spanisch nicht gleich verstehen. Uns hat das Land überzeugt, das uns in seine unendlich wirkende Weite aufgenommen hat, die manchmal auf einigen Schotterstraßen nie enden wollte. Die Anden im Süden Patagoniens haben uns die Erosionsmacht der Gletscher im Torres del Paine und in den argentinischen Nationalparks Los Glaciares und Fitz Roy bestaunen lassen; im Norden rund um Bariloche bestaunten wir ganz andere Berglandschaften und Städte, die uns an den deutschen Allgäu, Österreich oder die Schweiz erinnerten.

Patagonien ist das Land des Windes. Er weht immer und meistens stark. Das Lenkrad des Autos muß man gut festhalten und stets gegenlenken. Die Autotür geht nur mit großer Kraftanstrengung auf, manchmal in Extremfällen muß man kapitulieren. Fährt man durch eine Pfütze und hat das Autofenster nicht geschlossen kommt ein Schwall Wasser und Dreck ins Innere hinein und übergießt Fahrer oder Beifahrer. Beim Wandern ist der Anstieg am Berg ein kräftezehrender Kampf gegen Steigung und kalten Wind. Fotos mit ruhiger Hand zu schießen ist schwierig, ein Stativ aufbauen sinnlos.

Patagonien ist das Land der Gauchos. Gauchos mit ihrem breiten Lederhut und zu Pferde sieht man häufig. Sie kontrollieren die kilometerlangen Zäune und sie treiben Schafe und Rinder zusammen. Hilfreich stehen ihnen zwei bis drei flinke Hunde zur Seite, die auf kurze Pfiffe Befehle, die wir nicht spontan verstehen, ausführen und die Herdentiere dicht zusammen halten. Gauchos gehören zu Estancias, den mehrere 10.000 Hektar großen Farmen Patagoniens. Sie haben liebevoll gewählte Namen wie ‚La Maipú‘, ‚Alice‘ oder ‚El Deseado‘. Waren Estancias früher ausschließlich landwirtschaftliche Produktionsstädten so öffnen sich heute viele den zahlreich ins Land strömenden Touristen und bieten ihnen luxuriöse Übernachtungsmöglichkeiten und eine Reihe vielseitiger Freizeitaktivitäten.

Patagonien hat eine wilde Geschichte hinter sich. Die Entdeckungsreise Magellans, der für den spanischen König Karl V eine Passage von Europa zu den Gewürzinseln, den Phillipinen und Indonesien suchte und mit der Magellanstraße eigentlich auch – nur zu weit im Süden – fand, ist eine spannende Abenteuergeschichte. Die Ausrottung der einheimischen Indianer in der Folge der Besiedlung durch weisse Abenteurer ist sicher ein sehr dunkles Kapitel der Geschichte Patagoniens ähnlich wie das unmenschliche Faustrecht der Großgrundbesitzer und die brutal niedergeschlagenen patagonischen Streiks vor knapp 100 Jahren. Der noch heute unvergessene Krieg um die Falkland/Malvinas Inseln, der hauptsächlich von den Küsten Patagoniens aus geführt und für Argentinien so schmählich verloren wurde hinterläßt überall im Süden seine unübersehbaren Spuren und wirkt wie eine brennende Wunde in der argentinischen Seele.

All diese Gedanken durchströmen uns auf der knapp 2.000 Kilometer langen Autofahrt von El Chaltén Richtung San Carlos de Bariloche, die im Abstand von 150 Kilometer parallel zu den Anden durch trockenes patagonisches Pampaland gen Norden führt. Bald hört die komfortable Teerstraße auf und es beginnt die mehrere hundert Kilometer lange Marterstrecke auf argentinischem Schotter. Unser Fiat Siena wird schwer gefordert und ächzt und knarzt bis in die letzten verborgenen Schweißpunkte – aber er hält durch. Manchmal setzen wir mit dem Bodenblech leicht auf und ein Schlurfen unter unseren Füßen läßt um die Ölwanne, Benzin- und Kraftstoffleitungen fürchten. Wir gucken bei jedem Stopp besorgt auf unsere abgefahrenen Reifen und hoffen inständig, dass sie nicht Einschnitte an der Flanke haben und dass der Luftdruck offensichtlich in Ordnung ist denn uns steht nicht der Sinn danach irgendwo im unbewohnten Nichts mit einem Reifenschaden liegen zu bleiben.

Wir begegneten auf unserer Fahrt durch Patagonien immer wieder großen blauen Schildern mit der Aufschrift ‚Aquí también la Nación crece‘ und Arbeitern mit schweren Maschinen, die Straßen erweitern oder verbessern, denn auch hier wächst und entwickelt sich die Nation Argentinien weiter. Besonders in diesem verschlafensten Teil Patagoniens trassiert man neue Teerstraßen in die Landschaft und zwingt den Autofahrer oft auf viele, viele Kilometer provisorisch in die Landschaft geschobene Umleitungswege auszuweichen. Unser Fiat taucht immer wieder ein in braune Schlammpfützen und kämpft sich wieder ins Trockene wobei das ganze Fahrzeug am Ende mit einer dicken ockerfarbenen Dreckschicht überzogen ist.

Die erste Tankstelle auf unserer Strecke in einem kleinen Dörfchen müssen wir suchen und erfragen. Als wir sie gefunden haben gibt es seit einem Monat kein Benzin. Wir fahren weiter, entscheiden uns aber glücklicherweise einen Umweg von 80 Kilometer Schotterpiste in die nächste Provinzstadt Gobernador Gregores zu fahren um hier zu tanken und zu übernachten. Als wir am nächsten Tag an der nächsten Tankstelle in Baja Caracoles, einem kleinen Dörfchen im patagonischen Nichts, vorbeikamen, waren die Zapfsäulen zwar mit vielen Aufklebern international verziert, Benzin gab es aber nicht. Hätten wir mittlerweile nicht schon ein feines Gespür für die verborgenen argentinischen Benzinquellen entwickelt und hätten wir den Umweg gemieden, wir hätten mit einem der Überlandbusse ins 250 Kilometer entfernte Perito Moreno fahren müssen um in Kanistern 20 Liter Treibstoff zu organisieren.

Wir fahren weiter in Richtung der Provinzstadt Perito Moreno jedoch nicht ohne einen Abstecher zu den ‚Cuevas de los Manos‘, den Höhlen der Hände zu machen. An den Ufern des tief in die Landschaft eingeschnittenen Rio Pinturas haben nomadisierende Ureinwohner vor etwa 9.300 Jahren an Felsüberhängen vielfältige Malereien hinterlassen. In reicher Anzahl sieht man Negativabdrücke von Händen an den Wänden und Decken. Es sind Hände von Kindern, Frauen und Männern, meistens mit fünf Fingern, manchmal aber auch mit nur drei oder sogar sechs. Es gibt vereinzelt abgebildete Jagdszenen und Tierbilder zu bestaunen, die die Ureinwohner offensichtlich zum Einschwören auf das nötige Jagdglück angefertigt haben. An vielen Stellen in Patagonien trifft man auf diese prähistorischen Abdrücke nur sind sie in dieser Vielzahl und vermittelt durch die nette, kompetente Führung durch Mitarbeiter der Parkverwaltung in den ‚Cuevas de los Manos‘ einzigartig.

Nach drei harten Fahrtagen und 1.100 Kilometer Autofahrt sind wir endlich in Esquel, einem kleinen Wander- und Skistädtchen in der patagonischen Provinz Chubut vor den Toren des ‚Parque National Los Alerces‘ an den östlichen Ausläufern der Anden angelangt. Wir sind vom Staub und der Rüttelei im Auto ziemlich erschöpft und planen mindestens einen Ruhetag einzulegen. Es kommt anders: Am nächsten Tag, einem Sonntag regnet es stark. Ich freute mich, denn jetzt wird der Fiat mal gründlich gewaschen und die originale Silberfarbe der Karosserie kommt wieder zum Vorschein. Bei einem zufälligen Blick durch das Fenster unserer Wohnung trifft mich fast der Schlag: Die Heckscheibe unseres Autos war geplatzt und hatte ein großes Loch und es regnete heftig ins Innere des Fahrzeugs hinein. Wir dachten zuerst an einen Einbruch aber nichts war im Fahrzeuginneren durchwühlt oder etwa entwendet. Die einzige Erklärung ist, dass sich die Karosserie auf der wilden Schotterstrecke leicht verzogen und die Heckscheibe unter Spannung gesetzt hat. Ein größerer Wassertropfen auf die richtige Stelle hat dann die Scheibe in viele kleine Splitter zerspringen lassen.

An dieser Stelle sind wir der Familie Pecorari, Besitzer der Cabañas Vermietung Los Peco’s, in der wir eine sehr saubere und nette Unterkunft gefunden hatten, zu großem Dank verpflichtet! Sie unterstützten uns in jeder Hinsicht, dezent und nicht aufdringlich aber immer genau wissend, was wir benötigten. Vor allen Dingen der Vater Juan-Carlos fuhr uns zum nächsten Supermarkt, organisierte Abdeckfolie um das Auto erst einmal abzudichten und beschaffte eine neue Heckscheibe in einer Fiat Werkstatt am Ort und einen schnellen Werkstatttermin, damit die neue Scheibe zügig wieder eingesetzt wurde. Hatte Juan-Carlos Frau schnell herausgefunden, dass Christian ihren Sonntagskuchen gerne mochte, stand sie am nächsten Tag vor der Tür und übergab uns einen frisch gebackenen, noch warmen argentinischen Sandkuchen. Wir waren überwältigt von der Hilfsbereitschaft, der Wärme und Freundlichkeit der Familie.

Während wir auf die Reparatur unseres Autos warteten organisierte Juan-Carlos für uns eine Fahrt mit der Schmalspurbahn ‚La Trochita‘ oder frei übersetzt: Die Schmale. Die Bahn mit einer Spurweite von nur 75cm wurde 1922 projektiert und erst richtig in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts fertiggestellt. Die kleine Bahn beförderte ursprünglich Waren von Bariloche nach Esquel, später gab es auch eine Personenbeförderung. Die Schienentrasse ist windungsreich an den Berghängen der Anden verlegt und passt sich kaum sichtbar in das Landschaftsbild ein. Bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde die Bahnstrecke kommerziell genutzt, dann hatte der Straßenverkehr die kleine, dampfende ‚La Trochita‘ 1992 endgültig besiegt: Ihr Betrieb wurde eingestellt, den Lokomotiven und Waggons drohte die Verschrottung.

Heute fährt von Esquel in Richtung El Maiten ein Nostalgiezug für Touristen. Es geht eine Stunde hinaus in die Pampa bis Nahuel Pan, dort wird die Lokomotive umgespannt und zieht die Waggons mit den Touristen wieder zurück nach Esquel. Für Enthusiasten und Freunden alter Dampfloks ist eine Fahrt mit diesem kleinen Dampfzug, der so verloren in der weiten patagonischen Landschaft wirkt, einfach ein Muß.

Von Esquel bis weiter über Bariloche hinaus Richtung San Martin de los Andes bekommt die Landschaft einen alpinen Touch. Die Berge sind nicht sehr hoch, wirken aber häufig schroff mit ihren steilen Bergflanken, sind grün bewaldet bis fast zum Gipfel und große, tief blaugraue Gletscherseen befinden sich unten in den breiten Bergtälern. Es reiht sich ein argentinischer Nationalpark an den anderen und jeder lädt zum einsamen Wandern oder Bergsteigen ein. Von Esquel aus war unser nächstes Ziel San Carlos de Bariloche und nach einer Übernachtung fuhren wir weiter auf der Straße der sieben Seen bis San Martin de los Andes.

In San Martin de los Andes wollten wir unbedingt das Bed&Breakfast Angebot von Melanie und Ingo, kurz Melingo genannt, wahrnehmen. Auf einem Flyer hatten wir gelesen, dass die Beiden zwei Jahre mit dem Fahrrad unterwegs waren, viele Länder in Asien, Mittel- und Südamerika erradelt hatten und dann vor etwa drei Jahren aus Deutschland ausgewandert sind um in Argentinien im Touristenort San Martin de los Andes ihr neues zu Hause zu finden. Mittlerweile sind beiden zwei Töchter geboren worden sodass die Melingos nun auch die argentinische Seite der Kinderbetreuung, des Kindergartens und des Schulsystems kennen und mit ihren Gästen darüber trefflich diskutieren können. Wir haben es genossen durch die Melingos bei einem Gläschen argentinischen Quilmes Biers mehr über das Leben in Argentinien zu hören, über die argentinische Bürokratie und über vieles mehr. Wir können einen Besuch bei den Melingos nur empfehlen um so das Bild über Argentinien während eines Urlaubs abzurunden.

Unsere weite Reise durch neun Länder unserer Erde in einem Zeitraum von gut acht Monaten hat nun ein Ende. Wir drei, Claudia, Friedrich und Christian haben während dieser Zeit unvergessliche Eindrücke gewonnen. Änderungen an Claudias Schule haben uns dazu bewogen, diese Reise ein paar Monate eher zu beenden als wir es ursprünglich planten. Wir freuen uns sehr auf Deutschland, besonders auf das Wiedersehen mit der Familie und Freunden, haben aber trotz allem etwas Wehmut im Herzen. Was wir mit aus der Vergangenheit hinübernehmen in die Zukunft sind 31 Artikel in diesem Weblog und viele, viele Fotos, die uns immer wieder an die paar unvergesslichen Monate in den Jahren 2011 und 2012 mit ihrem Glanz und ihrer Qualität erinnern werden.


Am Schluß des Artikels gibt es unseren Fahrweg für diesen Streckenabschnitt wie üblich als GPS Track File hier zum Download:

  ARGZurückNachBariloche (359,3 KiB, 1.350 hits)

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  1. Sergio Pecorari’s Avatar

    Muy lindas las fotos amigos.

    Un abrazo grande de Los Peco´s

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  2. Jürgen Fischer’s Avatar

    Da reihe ich mich gerne in die Danksagenden ein.
    Es war mir eine ausserordentliche Freude, diese spannenden und sehr informativen Reiseberichte zu lesen. Wirklich sehr gut geschrieben. Für mich war das so, wie früher die Vierteiler zu Weihnachten. Man fieberte schon auf den nächsten Teil. Dann gab es noch, sozusagen als Nachtisch, eine Fülle von hervorragenden Fotos. Dafür vielen lieben Dank.
    Liebe Grüße auch vom CAM-TEAM

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  3. Reiner Girsch’s Avatar

    Auch ich möchte mich bedanken, verfolge ich diese Weltreise doch mit großem Interesse. Sehr gut geschrieben und gut fotografiert.
    Grüsse aus der Heimat und von der 7630

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  4. Herbert Gans (FFC)’s Avatar

    Liebe Weltreisende!
    Es freut mich, Euch 8 Monate durchs Internet auf Eurer selbst organisierten Weltreise „begleiten“ zu können! Dank für die grossen Berichte und Fotos!
    Aufwiedersehn in Köln!
    Herbert Gans

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