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Argentinien, zum Parque National los Glaciares

Etwas wehmütig verließen wir Puerto Natales und unser Hostel ‚Los Pinos‘ mit dem familiären Ambiente und das kleine Hafenstädtchen mit den Restaurants ‚Don Jorge‘ und ‚Ultima Esperanza‘, was übersetzt ‚Letzte Hoffnung‘ heißt, um wieder nach Argentinien einzureisen.

Chile machte auf uns einen organisierteren und wohlhabenderen Eindruck als Argentinien. Benzinknappheit haben wir nicht erlebt; wie in Deutschland fährt man an eine freie Zapfsäule und wird prompt bedient. Die wichtigste Stadt dieser Region, Punta Arenas ist ein geschäftiges, nettes 100.000 Einwohner Städtchen, dem man die ehemalige große wirtschaftliche Bedeutung für Patagonien noch heute deutlich ansieht.

Puerto Natales, etwas weiter im Norden lebt vom Fischfang und besonders von den vielen ATM Geldautomaten auf zwei Beinen, den Touristen, die heutzutage das Gold in US Dollar, Euro und japanischen Yen oder anderen Währungen am Bankautomaten abliefern um mit den tausenden chilenischen Pesos Puerto Natales zum Blühen zu bringen.

Puerto Natales ist das Tor zum großen chilenischen Nationalpark, den Torres del Paine. Die Torres del Paine sind die heutigen Goldadern des Städtchens. Trotzdem läßt der touristische Ansturm Puerto Natales nicht in großen Hotels mit vielen Sternen und Einkaufszentren, heute Malls genannt, die gesichtslos ihre Souvenirs ‚Made in China‘ verkaufen, ertrinken. Die Stadt hat sich zu einem kleinen Wohlfühlort entwickelt mit Cafes, die selbstgemachte Schokolade verkaufen und netten Läden für Wanderausrüstung und Agenturen, in denen man diverse Bergtouren buchen kann, mit Restaurants und Buchläden und kleinen Hotels und Hostels, die häufig von Familien geführt werden. Wie schon erwähnt, wir hatten etwas Wehmut im Herzen, diesen Ort zu verlassen.

Auf einer komfortablen Teerstraße ging die Fahrt Richtung Nationalpark Torres del Paine. In Cerro Castillo am Kreisel am Ortseingang geht es links und geradeaus zum Nationalpark und rechts nach Argentinien. Kein Schild informiert den Reisenden, dass hier die Straße über die Grenze ins Nachbarland führt. Man muß es einfach wissen und sich sicher sein: Hier geht es nach Argentinien. Abrupt hört die Teerstraße an der chilenischen Grenzabfertigung auf. Man läßt alle nötigen Stempel auf Pässe und Zolldokumente niedersausen und fährt wieder kilometerweit holpernd auf Schotter zur argentinischen Grenzabfertigung. Es macht auf uns den Eindruck, dass die Spannungen zwischen Argentinien und Chile, die 1978 unter den damals herrschenden Militätdiktaturen fast zum Krieg geführt hätten, heute in Gleichgültigkeit umgeschlagen sind. Wir hatten es schon auf Feuerland erlebt: Alle Lastwagen und Busse mit Touristen quälen sich fast 100 Kilometer im Transit auf einer staubigen, holprigen Schotterpiste durch Chile vom argentinischen Patagonien zum argentinischen Feuerland. Für uns Europäer, denen Grenzen fast nicht mehr präsent sind, erscheint dies alles als ein Anachronismus. Aber wir wissen auch, dass dies für Touristen den besonderen Reiz einer Südamerikareise ausmacht; denn wo erleben wir heute noch auf Europas Straßen Grenzabfertigungen der ganz alten Art über die man so viel erzählen kann?

Einige Kilometer hinter der chilenischen Grenzabfertigung, im staubigen Niemandsland tippelte in praller Sonne Pavel. Er sah sehr jung aus und wirkte in seinem sauberen, roten Anorak und dem großen Rucksack etwas verlassen in der Weite dieser Landschaft. Wir hielten an, fragten ihn wo er hin wolle, rückten schließlich in unserem Leih Fiat zusammen und nahmen ihn mit. Bis zur Grenzabfertigung bei den Argentiniern sagten wir ihm.

Wir versuchten mit ihm ein Gespräch in Spanisch – vergebens, er verstand kein Spanisch. Mit Englisch klappte es dann besser und mit Deutsch am besten.

Pavel lebt zwischen den Welten Russland und Deutschland in Hamburg. Er ist gerade 18 Jahre alt geworden und Schüler auf einer Hamburger Gesamtschule und reist gerade in den Osterferien zu Fuss, meistens aber per Anhalter oder mit dem Überlandbus durch Argentinien und Chile. In zehn Tagen muß er zurück im 2.000 Kilometer entfernten Buenos Aires sein, dann ist der Rückflug nach Deutschland gebucht und es beginnt die Schule in Hamburg. Oh, welch ein Mut muss der Junge haben so eine Reise auf diese Art und Weise alleine ohne die Sprache des Landes ansatzweise zu können, zu unternehmen. Aber das scheint in der Familie angelegt zu sein: Mit seinen Eltern und seiner Schwester zog er mit Zelt und per Anhalter und Bus durch die ganze Welt. Pavel erzählte von Indien, asiatischen Ländern und Afrika. Während Pavel in Deutschland angekommen scheint zieht es den Vater regelmäßig zurück nach St. Petersburg in Russland. Dort hält er Reisevorträge und organisiert Abenteuerreisen. Eine Webseite in Russisch hat er auch.

Wir halfen Pavel noch sprachlich bei der Einreise nach Argentinien. Unsere Wege sollten sich dann trennen: Er konnte loslaufen und eine Mitfahrgelegenheit organisieren, wir mußten unser Auto erst einmal wieder mit Stempeln in Argentinien einführen.

Gleich hinter der Zollstation auf der Schotterstraße nach El Calafate sahen wir Pavel dann wieder laufen mit seinem roten Anorak und dem schweren Rucksack. Wir rückten wieder zusammen und Pavel begleitete uns die gut 200 Kilometer bis El Calafate wo sich unsere Wege dann endgültig trennten.

El Calafate ist das Eingangstor zum Parque National los Glaciares, dem großartigen argentinischen Nationalpark der Gletscher. Ein riesiges, zusammenhängendes Schneefeld, das größte außerhalb der Arktis und Antarktis speist eine Reihe von gigantischen Gletschern, deren Eiszungen bis in die Gletscherseen reicht, mit Abbruchwänden aus Eis von über 100 Metern.

Dieser Nationalpark der Gletscher ist kein Wanderpark; es gibt keine Wanderwege. Alles dreht sich nur um das Eis. Man kann mit dem Schiff in einer Tagestour Gletscher vom Lago Argentino, dem größten Binnensee Argentiniens, aus besuchen – was wir gemacht haben und sich geführten Gletschertouren ähnlich unserer Wanderung auf dem Franz-Josef Gletscher in Neuseeland anschließen.

Wir buchten die Schiffstour. Mit vielen Touristen aus aller Herren Länder bestiegen wir das Schiff in Punta Bandera, 25 Kilometer außerhalb El Calafates und kreuzten durch Eisberge, die auf dem See schwammen und fuhren ganz dicht an den steilen Eiswänden des Upsala, Spegazzini und Perito Moreno Gletschers vorbei. Es war ein unvergessliches Erlebnis.

Den Perito Moreno Gletscher muß man sich unbedingt auch von den wunderbar angelegten Wegen im Nationalpark selbst, also vom Land aus ansehen. Man zahlt zwar eine Nationalpark Gebühr von 20€ pro Person und Tag aber der Blick auf die Eiswüste des Gletschers ist einmalig, besonders Mitte März, also im patagonischen Herbst, mit den grün bis rostbraun verfärbten arktischen Buchen, den Lengas. Auch ist eine Eiswanderung auf dem Moreno Gletscher empfehlenswert. Wir wollten uns für die große, eintägige Tour anmelden, leider sind aber Kinder und Jugendliche unter 17 Jahren nicht zugelassen. Da wir nur als Team und zusammen diese Reise machen haben wir auf die Eiswanderung schweren Herzens verzichtet.

El Calafate selbst hat uns auch sehr gefallen. Es ist zwar touristischer als Puerto Natales aber sehr kreataiv angelegt mit vielen netten Restaurants, Cafes und Läden, die viele argentinische Handwerksprodukte verkaufen. Gewohnt haben wir bei Andy im ‚Las Avutardas‘ Hostel. Auch dies können wir wärmstens empfehlen, insbesondere schätzten wir Andys nette und hilfsbereite Art.

In El Calafate gab es keine Benzinknappheit, dafür Schlangen vor den Geldautomaten. Es gibt immer etwas Neues in dieser argentinischen Mangelwirtschaft. Geldautomaten stehen nur in Banken und die sind rar gesät; die Menge der Automaten reicht definitiv nicht für die Touristenströme aus, die diese Stadt besuchen – und dabei waren wir nicht einmal zur Hauptsaison in El Calafate. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Banken in der Regel nur ein karges Tagesbudget von 800 bis 1.000 argentinische Pesos pro Plastikkarte auszahlen, das entspricht 180 bis 200€. Bedenkt man, dass Hostels, Tankstellen, Restaurants und viele Geschäfte meistens auf Barzahlung bestehen, versteht man die Geldknappheit in die man schnell laufen kann.

Zum Abschluss noch ein paar Worte zu den Fotos: Ein paar Bilder sind von der Autofahrt von Puerto Natales nach El Calafate und zeigen die Eintönigkeit der patagonischen Landschaft, die aber auch etwas beruhigendes Weites in sich trägt. Das Kreuz im ersten Bild ist vermutlich ein liebevoll gepflegtes Mahnmal zum Gedenken an einen lieben Verstorbenen, wir wissen es nicht genau. Ansonsten gibt es viele, viele Bilder der einzigartigen Andengletscher zu sehen – ich hoffe nicht zu viele. Wir fanden die Landschaft einzigartig und für uns einmalig und man könnte meinen man ist in der Antarktis – ist man aber nicht.


Am Schluß des Artikels gibt es unseren Fahrweg für diesen Streckenabschnitt wie üblich als GPS Track File hier zum Download:

  ARGGlaciares (112,6 KiB, 1.158 hits)

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  1. Herbert Gans (FFC)’s Avatar

    Liebe Weltreisende!
    Die Bilder mit den Eisbergen reizen,doch auch mal nach Argentinien zu reisen! Für Euch noch geruhsame Tage bis zum Reiseabschluss!

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