Wir hatten die Interislander Fähre zwischen der Nord- und der Südinsel für Mittwoch Morgen 8:25 Uhr gebucht. Die Nacht verbrachten wir auf einem Parkplatz mit Toilette und Dusche direkt am Hafen im Zentrum von Wellington.
Das Wetter wurde Dienstag Abend schlechter, Wolken zogen auf, es regnete heftig und ein böiger Wind schüttelte unseren Campervan kräftig durch. Wir befürchteten schon das Schlimmste für die drei stündige Überfahrt zwischen den beiden großen Inseln Neuseelands aber gegen Morgen beruhigte sich alles wieder und es nieselte nur leicht vor sich hin. Man wird es als Besucher dieses Landes häufig erleben: Neuseelands Wetter ist wechselhaft und unbeständig, von der Wetterküche des Südpazifik bestimmt kann es in alle Richtungen jäh umschlagen. Das haben wir auf beiden Inseln immer wieder erlebt. Besonders Wind kommt schnell auf und bläst dann in kräftigen Böen über das Land.
Die etwas betagte Interislander Fähre verläßt nach einer halben Stunde die geschützte Bucht an der Wellington liegt, quert die Cook Meeresstraße und kurvt durch den Marlborough Sound im Norden der Südinsel an vielen grünen Inseln und Halbinseln vorbei auf den Hafen des kleinen Städtchens Picton zu.
Wir entschieden uns erst einmal von Picton aus an der Ostküste entlang nach Süden zu fahren. Es ging mit anderen Campervans und einigen Lastwagen, die alle die Fähre mit uns verlassen hatten, Richtung Christchurch. Man fährt durch leicht hügeliges, satt grünes Land etwas abseits der Küste. Es wird neuseeländischer Wein in dieser Gegend auf Feldern angebaut und viele Weinfarmen laden zu einer Weinprobe und anschliessendem Weinkauf ein. Städtchen wie Blenheim und Seddon ziehen an uns vorüber ohne dass sie unsere Aufmerksamkeit in besonderem Maße auf sich ziehen. Nach etwa 80 Kilometern sehen wir den offenen Pazifik an der Ostküste der Südinsel. Die Straße folgt nun der Küste, im Landesinneren erstreckt sich parallel ein knapp 2.000 Meter hoher Gebirgszug mit Schneefeldern in Gipfelnähe. Wir sehen auf den Felsen am türkisblauen Pazifikufer Seehunde in der Sonne dösen. Man kann anhalten, sich den Tieren bis auf wenige Meter nähern und eindrucksvolle Fotos schießen. Werden den Seehunden die Menschen zu aufdringlich, dann fauchen sie kurz auf, die Störenfriede machen einen erschrockenen Satz rückwärts und schon kehrt wieder Ruhe ein.
Unser erstes Fahrtziel auf der Südinsel ist Kaikoura und die gleichnamige Halbinsel. Hier kann man Wale beobachten und sehr schön an den Klippen entlang wandern. Wale kommen in den hiesigen Sommermonaten ab Oktober regelmäßig zu den Buchten der Kaikoura Halbinsel. An diesem Küstenabschnitt taucht die pazifische Erdplatte unter die indisch-australische Kontinentalplatte und es bildet sich ein fast 2.000 Meter tiefer Meeresgraben. Weiter im Westen führt diese Kollision der Erdplatten zur Auffaltung der südlichen Alpen Neuseelands um den Mt. Cook, den mit über 3.700 Metern höchsten Berg des Landes. Die Wale ziehen um Kaikoura ihre Jungen auf und finden am Tiefseegraben reichlich Nahrung. Natürlich kann man diese mächtigen Säuger nicht mit Fernglas oder gar dem bloßen Auge vom Ufer aus sehen. Man muß mit einer der Whale Watching Agenturen aufs offene Meer etwa 10 Kilometer vor die Küste fahren. Spezielle, sehr schnelle, motorisierte Kathamarane bringen die Touristen, die diese Attraktion gebucht haben, hinaus, der Kapitän verständigt sich mit anderen Booten ob und wo Wale gesichtet wurden und fährt dann schnell zur angegebenen Stelle. Ist man angekommen sieht man einen mächtigen grauen Rücken ab und an etwas aus dem Wasser ragen und die Fontaine der ausgeatmeten Luft steigt zwei bis drei Meter in die Höhe. Dann taucht das Tier wieder ab und nach ein paar Minuten beginnt alles wieder von vorne. Hat man großes Glück so hat sich das Tier dazu entschieden in die Tiefen des Ozeangrabens abzutauchen. Dann krümmt sich der Körper des Wales und die mächtige Schwanzflosse steigt aus dem Wasser um dann senkrecht abzutauchen. Dies ist ein von allen Whale Watchern mit Ah und Oh begleitetes Spektakel und der Höhepunkt der ganzen Tour. Nun wird der Wal 40 Minuten in den Meerestiefen verbringen um dann wieder an die Meeresoberfläche zu kommen um die Luft in seinen Lungen auszutauschen.
Gibt es keinen Wal zu sehen wird es auf dem Schiff hektisch denn es gibt eine Geld zurück Garantie falls den Touristen kein Tier präsentiert werden kann. Der Kapitän persönlich schnappt sich das Sonar, hält den Schalltrichter unter Wasser und lauscht in alle Richtungen ob er Walgeräusche hört. Alle wissen: Die Tiere müssen an die Oberfläche zurück und so ist die Whale Watching Tour wohl meistens von Erfolg gekrönt.
Wir nehmen in Kaikoura die Anregung eines Flyers am Campingplatz auf und besuchen eine kleine Familienfarm, die den Touristen das Schafescheren zeigen will. Schafe prägen die Landschaft Neuseelands. Sie halten die in weiten Regionen kahle, hügelige Landschaft frei von Baumbewuchs und sind ein wichtiges Wirtschaftsgut. Wir sind die einzigen Besucher die das Schafescheren heute live erleben möchten und werden vom Besitzer persönlich empfangen. Er verliert wenig Worte, schnappt sich eines seiner etwa 300 Schafe und los geht es. Das Schaf weiss gar nicht so recht wie ihm geschieht und ergibt sich in sein Schicksal. Zeitweise denken wir, es wäre an Herzversagen verstorben so rollt es mit den Augen und läßt den Kopf schlapp herunter hängen. Aber alles geht gut, das Tier überlebt, kein Blut fließt und das nackte Schaf taumelt am Ende zurück in den Stall zu seinen Artgenossen. Der Farmer erklärt uns, dass er die Tiere zwei Mal im Jahr persönlich schert und dass die Wolle direkt nach der Schafschur je nach Qualität sortiert und dann fertig zum Verkauf in große Ballen gepresst wird. Wir erfahren, dass an der Wolle eines normalen Schafes etwa 25€ im Jahr eingenommen wird und dass große Schaffarmen vorbeiziehende Schafscherer engagieren, die im Akkord pro Tag und pro Schafscherer 400 Tieren die Wolle vom Leib schneiden und dabei etwa 250€ pro Tag verdienen. Es muß für alle Beteiligten ein Knochenjob sein.
Wir verlassen Kaikoura und über Christchurch geht es in Richtung Mount Cook. Das Zentrum der Stadt Christchurch wurde Ende 2010 von einer Reihe heftiger Erdbeben schwer zerstört. Noch ein Jahr später, als wir vorbei fuhren, war die Innenstadt komplett gesperrt, da der Aufbau der Infrastruktur und der Häuser viel Zeit in Anspruch nimmt. Wir entschließen uns, direkt in die neuseeländischen Alpen weiter zu fahren und nur in einem der großen Supermärkte Christchurchs einzukaufen und zu tanken.
Die Landschaft, durch die wir Richtung Südwesten fahren ist fast eben, geprägt von grünem Grasland mit Kühen und Schafen und einer intensiven landwirtschaftlichen Nutzung. Man nähert sich den großen Seen Lake Tekapo und Lake Pukaki, die das Gletscherwasser der neuseeländischen Alpen gen Osten aufnehmen und dessen Wasser der Mensch am Seeausgang zur Stromerzeugung nutzt. Irgendwann am Nachmittag reißen die Wolken im Westen auf und man sieht im fernen, bläulichen Dunst die schneebedeckte Gebirgskette der südlichen Alpen. Welch spektakulärer Anblick!
Ist das Wetter klar, dann ist der Mount Cook mit seiner strahlend weißen Gipfelhaube eine überwältigende Landmarke, auf die man nun stetig durch das breite Tal des Tasman Rivers zufährt. Natürlich ist auch dieses Gebiet ein Weltkulturerbe der UNESCO. Es ist geprägt durch die schroffe Gebirgswelt der über 3.000 Meter hohen Bergriesen rund um den Mount Cook. Hängende Gletscher und tief grüne kleine Gletscherseen prägen die alpine Landschaft. Mehrere kurze Wanderwege, wie zum Beispiel zum Kea Point, zum Hooker Valley und zum Tasman View Point laden zum Tageswandern ein mit spektakulärem Ausblick auf die majestätischen Berge – falls das Wetter es gestattet.
Das Wetter ist in dieser Bergregion absolut unberechenbar. Es kann passieren, dass man in diese Bergwelt fährt und nichts sieht, nur tiefhängende, graue Wolken und es unablässig regnet. Es kann ein heftiger Wind über die Bergkämme wehen, der den Wanderer fast von den Wanderwegen fegt, es kann aber auch strahlender Sonnenschein und ein tiefblauer Himmel auf den Besucher warten. Fast alles haben wir in drei Tagen erlebt. Und kalt kann es sein. Gute, dicke Winterbekleidung kann nicht schaden, will man es warm und gemütlich haben.
Natürlich wird am Mt. Cook jede Art von Freizeitaktivität angeboten. Klettern, Wandern und Gletschertouren, Kayak fahren auf einem Gletschersee und alle Arten von motorisierten Rundflügen mit Hubschrauber oder Flugzeug. Wir entschieden uns, nachdem wir am Tasman Glacier View Point auf den Gletschersee des Tasman Glacier schauen konnten zu einer Kayak Tour.
Wir trafen uns um 10 Uhr mit anderen Touristen in der Nähe des Mt. Cook Visitor Centres zur Kayak Tour auf dem Gletschersee des Tasman Glacier. Es wurde eine kurze Einweisung in die Technik des Paddelns gegeben und dann fuhr die Gruppe mit zwei Führern über eine Schotterstraße an das Ufer des Gletschersees. Hier erklärte Charlie, der Chef unter den Führern, die Boote, die Rettungswesten und das generelle Verhalten in der Nähe der im See schwimmenden Eisberge. Er machte das nicht oberlehrerhaft sondern sehr unterhaltsam und witzig ohne den ernsten Hintergrund der Unterweisungen aus dem Blick zu verlieren.
Wir hatten Glück: Es wehte kein Wind an diesem herrlichen Tag und der Himmel war strahlend blau. Charlie erklärte, dass wir über 500 Jahre altes Gletschereis vor uns haben, dass das Wasser des Gletschersees 0,5° Celsius kalt ist und dass wir, falls wir ins Wasser kentern würden, in ein paar Minuten tot sind. „But it never, never happend in the 15 years I’m a guide on this lake“ betonte er beruhigend und wir glaubten ihm sofort.
Charlie erklärte weiter, dass der Tasman Gletscher vor 25 Jahren viel, viel weiter in das eisfreie Tal der Endmoräne hineinreichte bis zum heutigen Ausgang des Sees auf dem wir uns gerade befanden. Er fuhr einen kleineren Eisberg im Wasser an, hackte mit einem Eispickel Gletscheis ab, betonte noch einmal deren hohes Alter, das jetzt schon bei 1.000 Jahren lag und bat jeden Kayakfahrer doch bitte einen größeren Brocken Eis mitzunehmen. Wir fuhren weiter bis kurz vor die Gletscherkante und dann wieder langsam zurück zum Einsetzpunkt. Nachdem die Boote, Paddel und Westen wieder verstaut waren, ging Charlie zu seinem Container und kam mit Bechern und einer Flasche guten Whiskeys wieder heraus. Zum Abschluss sollten wir auch mit unserem Geschmackssinn den Gletscher spüren. Es gab als Paddelabschluß einen kleinen Schluck Whiskey on the Tasman Glacier Rocks, dann ging es auf der staubigen Schotterstraße zum Visitor Centre zurück in ein kleines Cafe zum gemütlichen Zusammensitzen bei einer Tasse warmen Kaffees.
Wir fuhren an diesem Tag noch hinaus, weg von den Bergen Richtung Osten an den Strand des Pazifiks, vorbei an einigen langgestreckten Stauseen die der Mensch zur Stromerzeugung und zur Bewässerung der Wiesen und Felder benutzt. Wir wollten nach drei Tagen wieder das Salz des Meerwassers in der Luft riechen und das Rauschen der brechenden Wellen des Meeres in den Ohren genießen.
Am Schluß des Artikels gibt es unseren Fahrweg als GPS Track File zum Download:
NZBisMtCook (307,7 KiB, 1.104 hits)
Schlagworte: Neuseeland, Weltreise
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