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Husum an der Nordsee

2020 war das Coronajahr. Am 28. Januar infizierte sich ein Webasto Mitarbeiter aus Bayern bei einer chinesischen Kollegin. Er war der erste deutsche Coronapatient. Ende Februar breitete sich das SARS-CoV-2 Virus epidemisch im Landkreis Heinsberg in NRW aus und ab März sorgten heimkehrende Skitouristen für eine flächendeckende Ausbreitung des Virus über Deutschland, ja über ganz Europa. Mitte März ereilte uns dann der erste Lockdown.

Im Januar 2020 hatten wir noch ahnungslos Flüge nach Namibia und ein Mietauto für den Herbst gebucht. Wir hatten mit Gerhard und Angelika eine Fortsetzung der Kaokoveldtour von 2019 im etwas südlicher gelegenen Damaraland geplant. Daraus wurde nichts. Wir wollten das Infektionsrisiko eines Langstreckenflugs nicht eingehen, außerdem drohte uns eine zweiwöchige Quarantäne in Namibia bei der Ankunft und die Condor Fluggesellschaft hatte unseren Fug sowieso gestrichen. Wir planten um, buchten spontan eine kleine Wohnung in Husum, packten die Fahrräder aufs Auto und fuhren hoch in den Norden, nach Nordfriesland.

Husum liegt im Bundesland Schleswig-Holstein, genau gesagt im Landesteil Schleswig. Erst mit dem Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 wurden die Herzogtümer Schleswig und Holstein aus dem dänischen Gesamtstaat herausgelöst und nach dem preußisch-österreichischen Krieg von 1866 als preußische Provinz Schleswig-Holstein in Preußen und später ins Deutschen Kaiserreich eingegliedert.

Husum ist ein kleines Städtchen von etwa 22.000 Einwohnern. Ein kleiner Hafen im Zentrum ist über einen Seitenarm mit dem Gezeitenstrom Heverstrom verbunden, der wie eine große Bucht zwischen der Halbinsel Eiderstedt im Süden und den Inseln Nordstrand, Pellworm und Süderoogsand im Norden sich im Westen in die offene Nordsee öffnet.

Husum ist eine typisch nordfriesische Kleinstadt. Enge, gepflasterte Straßen und gedrungene, kleine Häuschen, deren Haustüren sich fast direkt, nur durch einen schmalen Bürgersteig geschützt, auf die Straße öffnen. Kaum Verkehr flutet durch die schmalen Straßen im Zentrum; nachts ist alles still, fast wie ausgestorben. Wir wissen nicht genau, ob Touristen dieses Städtchen meiden, ob es ihnen zu kalt, provinziell, stürmisch oder einfach nicht gefällt oder ob SARS-CoV-2 auch hier seine kleinen Spikes auf seiner Hülle mit im Spiel hat. Uns gefällt es, wir fühlen uns wohl in Nordfriesland. Wir schlendern am Hafen entlang, pulen Krabben in einem Fischrestaurant, gehen über den Markt, an der St. Marienkirche vorbei zum ‚Schloss vor Husum‘, eine ehemalige Nebenresidenz der Herzöge von Schleswig und zurück zu unserer gemütlichen kleinen Wohnung in der Rosenstraße.

Unsere Wohnung im Zentrum Husums ist ein guter Ausgangspunkt für Touren mit dem Fahrrad oder dem Auto entlang der Küste. Direkt auf dem Deich läßt es sich gut raus zum Dockkoog radeln und den Sonnenuntergang im Westen genießen. Weit ist der Blick hinaus aufs Wattenmeer bis man am Horizont den Südstrand der Insel Nordstrand sieht. Von Nordstrand aus setzen wir am nächsten Tag mit einer Fähre hinüber nach Pellworm und umradeln die einsame Insel mit den Fahrrädern. Vom erhöhten Deich aus öffnet sich der Blick ins Deichvorland, über die Salzwiesen, das Watt bis man am Horizont die Inseln Kooge, Norder- und Süderoogsand entdeckt. Jeder Schüler eines norddeutschen Gymnasiums kennt sie, die Novellen von Theodor Storm, geboren 1817 in Husum. Den Schimmelreiter, den Deichgrafen Hauke Haien, der die Modernisierung der Küstendeiche vorantreibt und dann doch in einer Jahrhundertflut alles verliert; Hab und Gut, sein Leben und seine Familie. Untergegangen in der Nordsee wie große Landstriche vor der Küste Husums, bedeutende Handelsstädte wie Rungholt zwischen Pellworm und Nordstrand bei der ‚Groten Mandränge‘ im Jahr 1362. All das kommt einem in den Sinn, wenn der Blick über diese friedliche, norddeutsche Wattenlandschaft streift.

Richtung Süden fahren wir mit dem Auto auf die Halbinsel Eiderstedt. Mit Gummistiefeln im Kofferraum. Zuerst stoppen wir auf einem Parkplatz in St. Peter-Ording. Der Ort ist heute ein Seebad mit viel Tourismus und einem weitläufigen Sandstrand, der durch die Anlandung zweier ausgedehnter Sandbänke entstanden ist. Führte der riesige Sandstrand die Fischer von St. Peter und Ording und anderen Dörfern ohne sicheren Hafen früher in die Armut so ist der viele Sand heute Gold wert. Touristen kommen in Scharen. Nicht nur Wandern und Radfahren dienen hier der Erholung sondern auch Wind- und Kitesurfen oder Strandsegeln und das Kitebuggy fahren.

Etwas weiter nördlich fahren wir zum Leuchtturm Westerheversand. Dieser, 1906 erbaute Leuchtturm, steht mit zwei Leuchtturmwärterhäuschen auf einer kleinen Warft am südlichen Eingang des Hever Gezeitenstroms. Der Turm hat eine Feuerhöhe von 41 Metern und ist, bei sehr guter Sicht, sogar noch vom 55 Kilometer entfernten Helgoland aus zu sehen. Vom eingedeichten Festland erreicht man den Leuchtturm über einen 2 Kilometer langen Stockenstieg, ein schmaler Weg, der einst zur Versorgung der Leuchtturmwärter und ihrer Familien angelegt wurde.

Der rot-weiße Leuchtturm liegt auf dem Deichvorland am Rande des Nationalparks Wattenmeer. Führt der Stockenstieg über weite Salzwiesen direkt zum Leuchtturm, biegt ein Seitenweg ab in Richtung Wasserkante. Also, Gummistiefel angezogen und bei Ebbe weit hinaus aufs Watt. Dies platte Land, wo Himmel und Erde eins zu werden scheinen, zieht uns in ihren Bann; diese Unendlichkeit ist beeindruckend und eine ganz besondere deutsche Landschaft.

Die Landschaft rund um den Leuchtturm von Westerhever diente häufig als Werbeplot. Bekannt ist die Werbung der Jever Brauerei ‚Wie das Land so das Jever‘ mit dem Leuchtturm von Westerheversand als Filmstar. Dabei sitzt die Jever Brauerei in Niedersachsen in Ost- und nicht in Nordfriesland. Ähnlich hat Otto Walkes den Nordfriesischen Leuchtturm in Szene gesetzt obwohl seine Filme eigenlich in Ostfriesland spielen. Sei’s drum, diese nordfriesische Landschaft ist einzigartig, etwas besonderes und sehr photogen und der Leuchtturm von Westerheversand das Sahnehäubchen auf diesem platten Land.

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