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Von Krakau nach Masuren

Der letzte Abschnitt unserer Polenreise ist angebrochen. Wir fahren von Auschwitz in die heimliche Hauptstadt Polens, nach Krakau (Kraków) anschließend zu einem Abstecher in die Hohe Tatra (Tatry Wysokie) in den Ort Zakopane von dort aus ganz in den Norden Polens nach Masuren (Mazury) um in der Seenplatte Masurens den Urlaub in grüner Natur ausklingen zu lassen.

Krakau ist die alte, bis 1592 Hauptstadt des Königreichs Polen und liegt im polnischen Regierungsbezirk (Woiwodschaft) Kleinpolen (Małopolska). Heute ist Krakau mit über 750.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Polens und ein wirtschaftliches und kulturelles Zentrum. Krakau ist mit seiner Geschichte, Altstadt und der Burganlage auf dem Wawelberg das emotionale Herz Polens.

Wir übernachten recht zentrumsnah im Hotel Lorenzo und fahren mit den Rädern in die Stadt. Über die Grunwaldzki Brücke queren wir die Weichsel (Wisla) und stellen die Räder unterhalb des Wawelbergs ab. Der erste Gang geht natürlich hoch zur Burg, dem Schloss und zur alten Wawel Kathedrale. In der Wawel Kathedrale befindet sich die Grablege fast aller polnischen Könige und mancher polnischen Nationalhelden. Auch der damalige polnische Präsident, Lech Kaczyński und seine Frau Maria finden hier neben dem Nationalhelden der Zweiten Polnischen Republik, Józef Piłsudski ihre letzte Ruhe. Die Kaczyńskis, zusammen mit 94 hochrangigen polnischen Staatsrepräsentanten waren auf dem Weg zu einer Gedenkfeier zur Erinnerung an die Ermordung polnischer Offiziere durch den sowjetischen Geheimdienst 1940 im russischen Katyn als ihr Flugzeug beim Anflug auf den Flughafen Smolensk zerschellte und alle Insassen starben. Für Polen war dieses Unglück 2010 ein Schock und eine große Tragödie.

Von der Wawelburg gehen wir hinunter in die Altstadt und zum Marienplatz. Er ist ein großer, mittelalterlicher Platz eingerahmt von den beiden Kirchen St. Barbara und der Marienbasilika. Krakau ist im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört worden und die beeindruckende mittelalterliche Bausubstanz ist komplett erhalten geblieben. Der Weg zurück zu unseren Fahrrädern am Wawelberg führt durch den Parkgürtel Planty, der die Altstadt umfasst. Hier im Grüngürtel finden wir ein wenig Abstand von all den vielen Touristen, die Krakau besuchen und wir können die vielen Eindrücke bei einem Spaziergang im Grünen in Ruhe verarbeiten.

Krakau, genauer die Wawelburg war zur Okkupationszeit Polens durch die Deutschen der Sitz des Generalgouverneurs für die besetzten polnischen Gebiete, Hans Frank. Krakau hatte immer schon eine große jüdische Gemeinde. Von den damals etwa 250.000 Einwohnern waren etwa 65.000 Juden, die hauptsächlich im Stadtteil Kazimierz südöstlich der Altstadt zur Weichsel hin lebten. Sie wurden von der deutschen Besatzungsmacht in das Krakauer Ghetto auf der anderen, südlichen Seite der Weichsel in den Stadtteil Podgórze zwangsweise umgesiedelt und später in das berüchtigte KZ Płaszów vor den Toren Krakaus unter seinem sadistischen Kommandanten Amon Göth („Schlächter von Płaszów“) verschleppt. In diesem krakauer NS-Milieu gab es einen Lichtblick: Oskar Schindler. Hier in Krakau mit seiner bizarren Nazibesatzung verstand es Schindler auf geniale Art, für seine Deutsche Emailwarenfabrik immer wieder Juden vor der Vernichtung in Płaszów oder Auschwitz zu retten, indem er sie als Arbeitskräfte zur Produktion wichtiger Kriegsgüter anforderte und einstellte. Auf dieser wahren Geschichte basiert Steven Spielbergs beeindruckender Film „Schindlers Liste“. Yad Vashem in Israel ehrte Oskar Schindler und seine Frau durch die Verleihung des Titels „Gerechter unter den Völkern“ und 1965 erhielt Oskar Schindler das Bundesverdienstkreuz I. Klasse der Bundesrepublik Deutschland. Schindlers alte Emailfabrik steht noch heute im Stadtteil Podgórze (Fabryka Emalia Oskara Schindlera).

Wir fahren weiter. Von Krakau in den Süden, in die Westkarpaten. Schon die Anfahrt ist mühsam. Viel Verkehr, Baustellen wegen Straßenneubauten Richtung Slowakei. Wir versuchen, alternative Strecken zu fahren, die unser Navi vorschlägt aber richtig flott geht es nicht voran. Als wir endlich Zakopane, die letzte polnische Stadt an der Grenze zur Slowakei erreichen, bricht der Verkehr endgültig zusammen. Zakopane liegt am Rande des Nationalparks Hohe Tatra mit der höchsten Erhebung der Karpaten (2655 Meter) in der Slowakei. Von Zakopane führen mehrere Seilbahnen hinauf in die alpine Bergwelt und viele, sehr viele Touristen nutzen diese Gelegenheit zum Wandern. Zakopane im Winter wie auch im Sommer scheint äußerst beliebt als Urlaubsort unter Polen zu sein. Wir begegneten fast nur Polen und darunter vielen Familien mit Kindern. Wo sie alle wohnen in diesem kleinen Bergort, uns ist es schleierhaft. Wir finden endlich etwas außerhalb einen erstaunlich leeren Campingplatz und fahren mit dem Bus zurück nach Zakopane. Wir finden die Basisstation der Seilbahn müssen uns aber durch Menschenmassen und ein Spalier an Kiosken eines umfangreichen Polenmarktes drängen. Wir sind bedient. Das Wetter in dieser alpinen Region ist auch nicht sehr stabil die nächsten Tage. Wir beschließen Zakopane am nächsten Morgen wieder zu verlassen und sofort nach Masuren zu fahren.

Es ist mühsam Polen mit dem Auto zu durchqueren. Polen ist das Land der Autos und Lastwagen. Die polnischen LKW Kolonnen, die wir in Deutschland auf der Autobahn A2 fahren sehen, sie fahren auch in Polen nur sind die Straßen viel schmaler. Und die Polen sind auch noch gerne mobil, fast jeder scheint ein privates Auto zu besitzen und es auch ausgiebig zu nutzen. Etwa 1.000 Kilometer sind es von Zakopane über Elbing (ElblÄg) bis in die Masuren. Wir brauchen gut zwei Tage, übernachten einmal kurz vor Lodz (Łódź) auf einem der in Zentralpolen raren Campingplätze an einem See, das zweite Mal direkt an der Marienburg (Zamek w Malborku) und schließlich kommen wir in Masuren auf dem Campingplatz Seeblick in Ruska Wieś (deutsch Reussen) an. Wir sind jetzt im ehemaligen Ostpreußen, haben viel Landschaft vor uns und wir wollen in dieser wald- und seenreichen Landschaft paddeln und radfahren.

Masuren ist ein herrliches Erholungsgebiet mit zahlreichen Freizeitmöglichkeiten. Darunter natürlich Reiten in den masurischen Wäldern, z.Bsp. in Gałkowo gleich nebenan beim Salon Dönhoff auf dem Gestüt Ferenstein, Segeln auf den großen Seen, z.Bsp. dem großen Spirdingsee (Śniardwy) bei Nikolaiken (Mikołajki) oder eben Paddeln auf der Krutinna (Krutynia) und Radfahren auf allen Wegen. Für uns war klar: Wir sind auf der Krutynia mit vielen anderen, mehrheitlich Polen gepaddelt und Rad gefahren.

Die Krutynia ist ein traumhaftes Flüsschen, manchmal schmal, manchmal erweitert und in einen kleinen See sich auflösend. Wir hatten unser eigenes Boot (Klepper Aerius II Faltboot) zum Paddeln mitgenommen aber es ist kein Problem jederzeit ein Kajak bei einem der vielen Verleiher zu mieten inklusive sicherem Rücktransport mit dem Auto zum Ausgangspunkt. Die Krutynia bietet viele Einsatzstellen und auch viele Übernachtungsplätze, man kann eine Tagestour machen oder auch mehrere Tage unterwegs sein, ganz wie man es möchte. Campingplätze am Flüsschen verkaufen Lebensmittel oder es steht auch schon mal eine Würstchenbude am Parkplatz. Für alles ist gesorgt. Ein guter Tipp ist die Pension Kipnick. Eine nette, empfehlenswerte Pension mit Frühstück, Bootssteg und Zugang zur Krutynia. Von hier aus kann man seine Paddel- aber auch Radtour starten.

Sehr empfehlen können wir das Dörfchen Gałkowo (deutsch Galkowen-Nikolaihorst). Es strahlt den Charme eines alten, verschlafenen, ostpreußischen Dorfes in den Masuren aus und ganz am Ende ist der Salon Gräfin Dönhoff. Die Geschichte dieses Anwesens, heute ein Restaurant und Hotel mit Tagungsraum ist sehr nett im Artikel Pferde, Wagen und Salon des Deutschlandfunks beschrieben. Eine Kutschfahrt durch die masurischen Wälder kann man sicher beim Gestüt Ferenstein erfragen, das ich oben schon erwähnte und das auf der anderen Seite des kleinen Weges liegt.

Zum Abschluss seien noch zwei Orte erwähnt die eines Besuchs Wert sind. Zum einen das Philipponenkloster mit dem Namen „Heiliges Erlöser- und Dreifaltigkeitskloster“, das in der Nähe von Eckertsdorf (Wojnowo) am Dusssee (Jezioro Duś) von russisch-orthodoxen Altgläubigen in den 1830er Jahren errichtet wurde und das den Zweiten Weltkrieg und die Kommunistische Regierungszeit schadlos überstanden hat und die Feste Boyen, die die Preußen bei Lötzen (Giżycko) in den 1850er Jahren errichtet hatten. Der preußische Kriegsminister Hermann von Boyen konnte König Friedrich Wilhelm IV. dazu überreden, diese gewaltige Anlage in der Form eines sieben zackigen Sterns als Verteidigungsbollwerk gegen die Russen bauen zu lassen. Wirklich zum Einsatz kam sie nie.

Auf der Rückfahrt schauten wir noch kurz auf der Frischen Nehrung (Mierzeja Wiślana) vorbei und fuhren ganz durch bis an die russische Grenze, dann ging es über Usedom wieder nach Hause ins Rheinland zurück. Insgesamt haben wir viel gesehen, was unsere mittel- und osteuropäische Landschaften und die Geschichte betrifft. Wir haben in Schlesien einen Teil meiner Familiengeschichte aufgearbeitet und wir haben die Polen als nette Leute erlebt, deren Sprache und Schrift uns aber ewig fremd bleiben wird.



Unsere etwa 5.100 Kilometer lange Tour quer durch Ostdeutschland, den Süden Polens, Masuren und über Hamburg zurück nach Köln in 33 Tagen als gpx-Track findet sich zum Download hier:

  Track_nach_Polen (1,4 MiB, 675 hits)


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