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Fjordland Reise in Norwegen

Wir waren mit Norwegen noch nicht fertig. Im letzten Jahr sind wir über Finnland zu den Vesterålen und den Lofoten mit Auto und Dachzelt gefahren, und wir waren von dieser harten, schroffen Landschaft begeistert. Der Küstenabschnitt von Tromsø im Norden bis fast runter nach Trondheim mit vielen windungsreichen, kleinen Küstenstraßen und so mancher Fährfahrt in einer spektakulären Landschaft ist ein besonderes Reiseerlebnis. Wir ließen uns damals viel Zeit und beschlossen, den Süden Norwegens, insbesondere Fjordland, später in einer zweiten Norwegenreise zu besuchen. Und das sollte dann im Sommer 2017 sein.
Wohnt man im Rheinland ist die Anfahrt nach Norwegen sehr lang und ermüdend und nur in einer Gewalttour ohne Zwischenstopps machbar. Wir lassen uns Zeit, fahren über Hamburg nach Eckernförde in Schleswig-Holstein, bleiben dort zwei Tage bei herrlichem Sommerwetter und ziehen dann weiter an die Nordküste Dänemarks. Auf einem Campingplatz in Tversted in der Nähe des Fährhafens von Hirtshals schlagen wir unser kleines zu Hause, ein Dachzelt auf unserem Auto, für weitere zwei Tage auf. In Norwegen erwarten wir im Süden eine felsige Schärenlandschaft, hier im südlichen Skagerrak an der Nordküste Jütlands erstreckt sich eine weite Dünenlandschaft. Man kann gut radeln, wandern und entspannen. Wir schauen uns Skagen an und reihen uns an einem Sonntag in die lange Schlange der Ausflugstouristen ein, die partout bis zum äußersten nord-östlichen Zipfel Dänemarks, einer unscheinbaren Sandbank, laufen wollen. Eine Nordseerobbe wird auf der Sandbank von einer großen Menschenmenge staunend umringt. Die Robbe will hier sicher nur ruhen und sich sonnen und schaut ganz verwirrt in die Gesichter der Touristen, die sich über sie beugen.

Der dänische Fährhafen Hirtshals ist das Tor Dänemarks zu Norwegen und Island. Täglich verlassen Schiffe den Hafen in Richtung Norwegen; nach Larvik, Kristiansand und Bergen. Wir buchen kurz entschlossen per Internet die Route nach Kristiansand auf einem Schiff der Color Line. Die Querung des Skagerraks in nordwestlicher Richtung dauert etwa drei Stunden sodass wir am späten Nachmittag mit dem Auto in Norwegen einreisen.

Die Südküste Norwegens ist im Sommer ein beliebtes Urlaubsziel der Norweger. Oslo und Stavanger als norwegische Metropolen liegen nicht weit entfernt, die Küste ist felsig aber nicht schroff – es ist eben eine typische Schärenlandschaft, wie man sie auch an der Westküste Schwedens antrifft. Hier im Süden Norwegens bauen die Bauern sogar Getreide an; es muss also eindeutig viel trockener und milder sein als in anderen Landesteilen im Norden. Wir blättern in unserem Norwegen Reiseführer und folgen seinem Ratschlag, uns von Kristianstadt aus östlich zu halten und ins kleine, ehemalige Fischerdörfchen Lillesand zu fahren.

Lillesand ist ein ruhiger, kleiner Ort. Wir sind erstaunt, denn keine parkenden Autos verstopfen den öffentlichen Straßenraum. Straßen und Plätze gehören den Fußgängern und den kleinen Restaurants und Cafes, die ihre Stühle nach draußen stellen. Die meisten Besucher kommen mit Booten über den Hafen in die Stadt, denn sie wohnen meist in Ferienhäusern am Wasser mit Bootsanleger und Boot inklusive. Hier herrscht ein reges kommen und gehen, ab- und anlegen. Wir wollen dem Treiben aus einem der am Hafen gelegenen Bars zuschauen und setzen uns an einen freien Tisch. Ich will mir ein Bier bestellen und werfe einen Blick auf die Getränkekarte. Ein Glas Bier für umgerechnet 7-10€ je nach Marke! Das läßt uns sofort aufspringen und die Bar fluchtartig verlassen. Da ist der Geiz einfach mächtiger als der Durst. Trotzdem geben wir nicht auf. Ich beschließe, mir eine Flasche Bier in einem nahegelegenen Lebensmittelgeschäft zu kaufen, und dann können wir uns auf eine Bank am Hafen setzen, gleich neben die Bar. Ich gehe also in den Laden, nehme eine Flasche aus dem Regal und gehe zur Kasse und will bezahlen. Der Kassierer nimmt mir die Flasche aus der Hand und stellt sie weg. Kein Verkauf von Alkohol mehr erklärt er mir auf Englisch. Ab 20 Uhr ist in Norwegen der Verkauf alkoholischer Getränke in Lebensmittelläden verboten. Na gut dann nicht. Ich habe wieder etwas gelernt. Norwegen ist eben in vielen, kleinen Dingen anders.

Von Lillesand aus fahren wir am nächsten Morgen weiter Richtung Westen, machen einen Zwischenstopp im kleinen Örtchen Brekkestø auf der Insel Justøya, fahren über Kristiansand hinaus bis nach Lindesnes Fyr, dem Leuchtturm von Lindesnes. Im Örtchen Lillehavn finden wir einen kleinen Campingplatz, richten uns häuslich ein, besteigen die mitgenommenen Fahrräder und fahren zum Südkap Norwegens, dem Leuchtturm von Lindesnes. Die Anlage des Leuchtturms ist in Privatbesitz und man muss Eintritt zahlen – aber der Besuch lohnt sich. Der Leuchtturm diente früher den Schiffen als Orientierungshilfe um sicher in dieser Schärenlandschaft navigieren zu können und er markiert den südlichsten Festlandspunkt Norwegens, das Südkap. Ausgehend vom Parkplatz am Leuchtturm kann man zu Wanderungen auf ausgeschilderten und gut unterhaltenen Wanderwegen entlang der Küste aufbrechen. Natürlich muss man wetterfeste Regenkleidung und festes Schuhwerk immer dabei haben.

In der Nacht hatte es heftig geregnet und es zog Sturm auf. Der Wind zerrte mächtig an unserem Dach- und dem Vorzelt, in dem wir Tisch und Stühle zu einem kleinen Ess- und Wohnzimmer aufgebaut hatten. Tiefere Teile des Campingplatzes hatten sich zu großen, flachen Seen mit Wasser gefüllt. Wir kamen noch glimpflich davon. Neben uns, zwei junge Frauen in ihrem Bodenzelt, zelteten plötzlich mitten im See. Sie bauten in Windeseile ihr Zelt ab, packten alles ob trocken oder nass ins Auto und fuhren überstürzt ab.

Auch wir packen unsere Sachen und fahren weiter. Der nächste Leuchtturm, Lysta fyr ist nur ein paar Kilometer entfernt und auch ihn besuchen wir, um dann weiter entlang der Küste bis Sogndalstrand zu fahren. Sogndalstrand liegt an der Mündung des Flüsschens Sokno. Sicher war auch dieser Ort früher ein verschlafenes Fischerdorf mit vielen kleinen Fischerbooten im Hafen. Dann kam die industrielle Hochseefischerei und die Überfischung der Nordsee und die lokalen Fischer hatten keine Chance mehr ein auskömmliches Verdienst mit ihren Fängen zu erzielen. Die Dörfer siechten dahin, bis der Tourismus und Künstler die dörfliche Idylle mit Hafen entdeckten. Es wurde renoviert und restauriert, ehemalige Fischerhäuser als Ferienwohnungen vermietet und Kunsthandwerk und Gastronomie fand ihren Platz im Ort. Diese positive Entwicklung kann man an vielen Orten an der Südküste Norwegens erkennen aber besonders ist uns das im kleinen Ort Sogndalstrand aufgefallen.

In Egersund kaufen wir noch einmal ein und verlassen dann die Küste und fahren ins Landesinnere. Zuerst geht es auf der vielbefahrenen E39 Richtung Oslo, dann biegen wir links ab auf die Rv42 in das Gyadal. Die Straße schlängelt sich am Ufer eines Flusses in einem tiefen Tal stetig bergauf. Der Verkehr hat deutlich abgenommen und nur noch vereinzelt treffen wir auf einfache Bauernhöfe. Wir passieren Seen, kommen durch jetzt im Sommer fast ausgestorbene norwegische Skiressorts und erreichen endlich das Städtchen Tonstad. Dort am Ortsausgang biegen wir in die Rv468 und später in die Rv975 ein, die sich über die wilde, grandiose Sirdal Hocheben schlängelt und uns weiter in Richtung Lysefjord führt. Die Sirdal Ebene wurde geprägt durch die letzte Eiszeit als ein kilometerdicker Eispanzer auf dem Kaledonischen Grundgebirge Norwegens lastete und den blanken Granit und Gneis herausarbeitete und das harte Urgestein rund hobelte. In vielen Senken bildeten sich kleine und große Seen. Wo sich Lösboden sammelte wächst satt grünes Gras. Ein idealer Ort für erholsame Wanderungen im Sommer oder Skilanglauf im Winter. Dazu kann man z.Bsp. in Svartevatn Ferienhäuser mieten.

Vorbei am Øygårdsstøl Kjerag Panoramic Restaurant fahren wir die vielen, engen Serpentinen und einen langen Tunnel 1.000 Höhenmeter hinunter auf Meeresspiegel zum Lysefjord und übernachten direkt am Fjord in Lysebotn. Es ist regnerisch und ungemütlich. Wir haben es uns trotzdem gemütlich in unserem Vorzelt eingerichtet und ein kleiner Heizlüfter sorgt für angenehme, kuschelige Wärme.

Am nächsten Tag fahren wir wieder die vielen Serpentinen hinauf zum Parkplatz am Øygårdsstøl Kjerag Panoramic Restaurant. Wir wollen zum Kjeragbolten wandern. Der Kjeragbolten ist neben dem Preikestolen die herausragende touristische Attraktion am Lysefjord. Der Parkplatz ist deshalb riesig und ganze Busladungen neugieriger Touristen werden angefahren. Dabei geht es nur um einen monolithischen Granitblock, der zwischen zwei Felswänden fest eingekeilt ist und der spektakulär hoch über dem Tal des Lysefjords schwebt.

Wir reihen uns ein in die Reihe der vielen Touristen aus aller Herren Länder um zum Kjeragbolten zu wandern. Viele Asiaten, ob Japaner oder Chinesen, das ist für uns schwer zu unterscheiden, sind unterwegs. Das Sprachgewirr reicht von Russisch bis Spanisch. Alle Nationen sind vertreten. Es ist Alt und Jung auf Achse; in kurzen Hosen mit leichten Schuhen bis zu Wanderern mit professionellen Wanderschuhen und wetterfester Ausrüstung. Wir zählten sechs Hunde, fünf kleine Kinder, Babys, die auf dem Rücken getragen wurden und ein Mann der es auf Krücken versuchte. Die Wanderung selbst ist dabei nicht einfach ein Spaziergang. Es geht steil auf und ab und manchmal dienen am Fels eingeschlagene Ketten als Kletterhilfen und zu allem Überfluß ist das Wetter unberechenbar. Wir kamen zwar trocken bis zum Kjeragbolten aber der Rückweg war komplett verregnet und manchmal auch stürmisch. Wir sind etwas frustriert. Zwar ist die 5-6 Kilometer Wanderung spektakulär in toller Landschaft aber irgendwie kommt man in diesem Gewusel nicht zur Ruhe und man kann sich den Natureindrücken nicht wirklich hingeben. Irgendwie bleibt deshalb etwas Frust zurück.

Am nächsten Tag nehmen wir die Fähre von Lysebotn nach Lauwik am Ausgang des Fjords. Wir sehen den Kjeragbolten und auch die Kanzel des Preikestolen (Übersetzung wäre Priesterstuhl) vom Schiff aus und erkennen, wie klein diese so gepriesenen Touristenattraktionen doch sind – an sich unscheinbar und unbedeutend in dieser gigantischen Landschaft.

Wir fahren weiter. Durch Stavanger durch, an der Küste entlang Richtung Norden. Es regnet stark und wir beschließen, uns etwas Komfort zu gönnen und uns ins Radisson Blu in Haugesund, etwa 60 Kilometer nördlich von Stavanger, einzubuchen. Unser Reiseführer sagte uns nämlich, dass viele Hotels in Stavanger und Umgebung im Sommer große Überkapazitäten an Zimmern haben und diese für recht wenig Geld an Touristen vermieten. So kamen wir für etwa 70-80€ in den Genuß eines komfortablen Hotelzimmers mit ausgezeichnetem Frühstück am nächsten Morgen.

Auch am nächsten Tag ist das Wetter schlecht. Wir fahren weiter gen Norden und schließlich am nördlichen Ufer des Hardangerfjords entlang. Unser Ziel ist eigentlich Eidfjord ganz am Ende des Hardangerfjords, denn hier ist ein guter Einstieg in eine der wohl wildesten Landschaften Norwegens, das Hardangervidda. Wir verbringen die Nacht auf dem von Deutschen geführten Campingplatz in Norheimsund. Es ist ungemütlich, die ganze Nacht fällt starker Regen und auch am nächsten Morgen hängen tiefe Regenwolken über dem Fjord. Wir beschließen unsere Planung zu ändern und zur Küste zurückzukehren.

Kurz hinter Norheimsund legen wir am Steinsdalsfossen (Fossen heißt Wasserfall) einen kurzen Stopp ein. Der viele Regen in diesem Sommer hat die Wasserfälle in Norwegen enorm anschwellen lassen und das ist wenigsten ein kleiner Trost für uns. Der Steinsdalsfossen liegt gleich neben der Rv7 und führt enorm viel Wasser, das von einer 50 Meter hohen Felswand ins Tal stürzt. Auf gut ausgebauten Wegen kann man hinter den Wasserfall gehen und sich das Ganze sozusagen von hinten anschauen.

Unser Weg führt uns weiter auf die Rv7 in Richtung Bergen und dann auf die viel befahrene E39. Die Landschaft hier ist nicht wirklich spektakulär aber doch nett anzuschauen. Irgendwann treffen wir auf das südliche Ufer des Sognefjord und setzen mit der Fähre über. Der Sognefjord ist der mit 200 Kilometern längste und 1.300 Metern tiefste Fjord Europas. Zum Meer hin ist er sehr breit und wirkt fast wie ein Binnenmeer, im Landesinneren verästelt er in kleine Seitenarme wie den Lustrafjord oder den Nærøyfjord. In Vadheim biegen wir in die Rv55 ein, die dem Sognefjord fast in ganzer Länge am nördlichen Ufer folgt. Auffällig in dieser Gegend sind die vielen sorgfältig gepflegten Obstplantagen. Das läßt auf ein mildes Klima schließen. Wir fahren bis Balestrand. Balestrand ist ein beliebter Urlaubsort mit wunderbar in Stand gehaltenen Häusern, die vermuten lassen, dass hier wohlhabende Norweger Eigentum besitzen. Und vor über 100 Jahren ankerte auch des öfteren die Yacht „Hohenzollern“ vom deutschen Kaiser Wilhelm II. vor Balestrand.

Balestrand ist ein guter Ausgangspunkt um in das Gaularfjell zu reisen. Man folgt der Fv13 die sich vom Snogefjord hoch windet, hinauf zum Gaularfjell. Hier folgt sie dem unter Naturschutz stehenden Gaularvassdraget, einem naturbelassenen norwegischen Wildwasserfluß. Am Fluss entlang führt ein Wanderweg und man kann Stromschnellen, Seen und Wasserfälle in einsamer Natur erwandern. Aber auch die wenig befahrene Straße folgt dem Flusslauf und man kann sich den Likholefossen, der eher eine Stromschnelle als ein Wasserfall ist, anschauen und einen Blick auf diese schöne Landschaft werfen.

Unser Weg führt uns weiter über das Städtchen Førde hin zu Norwegens westlichster Stadt, Florø. Florø liegt auf einer kleinen Insel und ist ein 11.000 Einwohner zählendes Provinzstädtchen. Wir finden einen zentrumsnahen Campingplatz und fahren mit den Rädern durch das Städtchen. Der Hafen sieht sehr verlassen aus; nichts ist mehr zu sehen von den vielen kleinen Fischerbooten, die hier früher ihren Fang anlandeten. Etwas abseits liegt der Industriehafen, in dem gerade eine Ölplattform zur Wartung und Reparatur angedockt hat. Nichts ist abgesperrt, sodass wir uns eine solche Plattform mal von der Nähe aus anschauen können. Groß ist sie jedenfalls nicht und ob dort das Bedienungspersonal drauf wohnen kann oder ob diese eiserne Insel mannlos arbeitet?

Wir fahren weiter Richtung Norden. Die Küste ist wilder und einsamer als im Abschnitt südlich von Bergen. Unser erstes Ziel ist der Kannesteinen bei Oppedalen. Auch ihn hat man sicher schon auf Hochglanzseiten in Prospekten verschiedener Outdoorausrüster gesehen. Es ist ein mächtiger Stein, der mich an Steven Spielbergs E.T. im Film ‚Die Außerirdischen‘ von 1982 erinnert. Das Meer und sicher viel Geröll haben diese Formation aus dem harten Granit mit den Jahrmillionen herausgeschliffen: Einen schmalen Hals mit einem runden Kopf oben drauf.

Und weiter geht es auf der schmalen Küstenstraße. Wir übernachten in dem verschlafenen 3.000 Einwohner Städtchen Selje, schwingen uns auf die Räder und radeln abends ins Zentrum und den Hafen. Am nächsten Morgen geht es über einen Pass mit tollem Ausblick auf die zerklüftete Küstenlinie auf die andere Seite der kleinen Halbinsel Stadlandet. Die Straße führt durch die Ortschaft Leikanger, bis wir auf ein Schild ‚Vestkapp‘ stoßen. Auf einer schmalen Straße durch baumloses Schafland geht es bis an das äußerste, westliche Zipfelchen Norwegens, das Vestkapp. Als wir dort ankommen regnet es stark und wir sind komplett in Wolkennebel eingehüllt. Ähnlich wie am Nordkap steht auch hier eine Weltkugel auf einem steinernen Sockel und ein großes, schon etwas verwittertes Schild soll dem Besucher klar machen, wo er ist nämlich ganz im Westen Norwegens.

Auf der Rückfahrt biegen wir in die Straße zur Ervik Kyrkje (Ervik Kirche) ein. Die Kirche mit einem sie umgebenden Friedhof liegt direkt am Meer, daneben ein toller Sandstrand, der bei Surfern für seine hohen, lang auslaufenden Wellen beliebt ist. Auf dem Friedhof sieht man einige Gräber mit einfachen, schon angerosteten Eisenkreuzen. Sie erinnern an den 30. September 1943, als das für Hurtigruten fahrende, zivile Postschiff im 2. Weltkrieg von britischen Bombern angegriffen und versenkt wurde. In einer dramatischen Rettungsaktion konnten viele Schiffbrüchige gerettet werden, die etwa 40 Toten, die geborgen wurden, fanden auf dem Friedhof in dieser außergewöhnlichen Lage ihre letzte Ruhe.

Unser nächstes Ziel, die Insel Runde ist nicht weit. Auf herrlichen Küstenstraßen und über weit geschwungene Brücken geht es auf die kleine, von Ornithologen geschätzte Insel. Ganz am nordöstlichen Ende, direkt am Meer liegt der kleine, familiäre Goksøyr Campingplatz, der von einer norwegischen Familie, die fest auf Runde wohnt, betrieben wird. Runde ist bekannt für seine an den Klippen der Westküste brütende Tölpel und für die Puffins, auch Papageitaucher genannt. Diese auf dem Meer im Nordatlantik und Nordmeer lebenden Vögel kommen von Mitte Mai bis Anfang August an Land um in dieser Zeit Eier zu legen und die Jungen in großen Vogelkolonien aufzuziehen. Die Puffins auf Runde, so haben wir uns sagen lassen, sind nicht scheu und man kann sich ihnen gut nähern und aus unmittelbarer Nähe beobachten. Leider haben wir Pech, denn kein Puffin ist jetzt Mitte August zu sehen – aber trotzdem, die Landschaft auf der Insel ist traumhaft. Sehr schöne Wanderwege führen zu Stellen mit großartigem Ausblick auf die Küstenlinie und ganz im Norden geht es steil hinab zum kleinen Leuchtturm der Insel. Wir meinen, Runde ist auf jeden Fall zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert.

Wir fahren in zwei Tagen zurück nach Bergen. Unser jüngster Sohn kommt nachgereist und landet auf dem kleinen Provinzflughafen von Bergen. Im bewährten Team zu Dritt wollen wir uns die Stadt anschauen und dann über die Fjells und Hochebenen Norwegens zurück nach Deutschland reisen.

Das erste, was man über Bergen wissen sollte: Es ist die regenreichste Großstadt Europas. Es regnet hier viermal soviel wie in Berlin sagt unser Reiseführer. Also sollte man sich ohne Regenkleidung nicht in die Stadt wagen. Die Stadt ist umringt von Bergen und war daher in früheren Jahren vom Hinterland Norwegens schwer erreichbar. Die Bedeutung der Stadt entwuchs dem Handel. Im Mittelalter war der Handel mit Stockfisch von den Lofoten und Getreide, Bier und Wein von den Handelshäusern der Hanse die wirtschaftliche Triebfeder der Stadt. Bergen wurde im Mittelalter mit ca. 40.000 Einwohnern die bedeutenste Stadt Nordeuropas; heute sind es etwa 270.000. In Bergen hatte die Hanse, besonders die mächtige Hansestadt Lübeck ein bedeutendes Handelskontor. Direkt am Naturhafen Vågen, an der Tyske Brygge (Deutsche Landungsbrücke) bauten die Kaufleute der Deutschen Hanse ihre Kontore und Lagerhäuser zum Lagern und Umschlagen ihrer Handelsgüter. Diese farbenprächtigen Holzhäuser an der nördlichen Kaimauer des alten Naturhafens sind heute das Wahrzeichen der Stadt und sie werden natürlich touristisch extensiv vermarktet. Ganze Busladungen und Reisende der Kreuzfahrtschiff überfluten den Hafen und die umliegenden, museumsartig restaurierten Lager- und Kontorhäuser. Man ist hier wahrlich nicht allein. Wir schauen uns das alles an, gehen auf den Fischmarkt Torget am Ende des Hafenbeckens Vågen, in die alte Festungsanlage Bergenshus, die berühmte Marienkirche und schlendern auch noch ein bisschen ziellos in der Innenstadt umher. Dann ist es auch genug denn das Wetter ist gerade am zweiten Tag sehr schlecht und wir sind doch ganz froh zurück zu unserem Campingplatz etwas ausserhalb Bergens zu kommen und dort im Trockenen zu sein.

Am nächsten Tag fahren wir weiter. Auf der E16 verlassen wir Bergen. Unser Ziel ist der Nærøyfjord. Der Nærøyfjord ist ein schmaler, spektakulärer Seitenarm des Sognefjord. Er ist seit 2005 in die Liste des Weltnaturerbes der UNESCO aufgenommen worden. Wir schaffen es in Gudvangen noch so gerade auf die 4 Uhr Fähre zu kommen, die uns durch den Nærøyfjord nach Kaupanger bringt. Die 50 Kilometer Fährfahrt ist selbst bei Regen beeindruckend. Immer wieder haben wir Bilder aus Neuseeland vor Augen, wo wir auf der Südinsel auch mit dem Schiff durch das dortige Fjordland gefahren sind. Aber Norwegen ist viel mächtiger, größer und beeindruckender.

In Kaupanger übernachten wir auf einer Wiese direkt am Fjordufer und fahren am nächsten Morgen auf der Rv55 immer am nördlichen Ufer des Sognefjord entlang bis wir in Gaupne in die Rv604 einbiegen. Diese schmale Straße bringt uns nach etwa 40 Kilometern an den Fuß des Nigardsbreen. Der Nigardsbreen oder Nigardsgletscher ist touristisch mit großem Parkplatz und Besucherzentrum gut erschlossen. Natürlich ist man deshalb hier auch nicht alleine sondern teilt diese schöne Landschaft mit vielen anderen Touristen. Eine kurze Wanderung führt vom Parkplatz direkt zum Fuss des Gletschers und man kann sich dort in eine lange Schlange stellen, wenn man den Gletscher besteigen möchte. Der Nigardsbreen ist ein kleiner Seitengletscher des riesigen Jostedalsbreen, der der größte Gletscher auf dem europäischen Festland ist.

Wir fahren zurück auf die Rv55 und fahren am Ausgang des Sognefjord, bei Skjolden auf einer engen, nicht enden wollenden Serpentinenstraße hoch in den Jotunheimen. Hier oben kommt man in einer rauen, harschen Gebirgslandschaft an. Überall sieht man Schneefelder, kleine Seen und der Wind bläst stark durch das Hochtal und peitscht einem den Regen ins Gesicht. Man fährt in Blickweite des Galdhøpiggen, des mit 2469 Metern höchsten Berges Skandinaviens weiter und erreicht an der Sognefjellhytta den mit 1440 Metern höchsten Punkt der Passstaße. Überall kommt man an Wanderhütten vorbei und wer wetterfeste Kleidung und etwas Mut hat kann hier oben unvergessliche Wandertouren machen.

Am Rande des Jotunheimen Nationalparks fahren wir die Rv55 weiter und dann in die Rv15, in den Breheimen Nationalpark. Eine tolle Seitenstraße ist die Abzweigung in die Rv258. Auch sie führt hinauf in eine raue Gebirgslandschaft der norwegischen Fjells mit Granitfelsen, Schneefeldern und Seen; Sturm und Regen gibt es noch umsonst dazu. Fährt man die Rv15/Rv63 weiter erreicht man den berühmten Geiranger Fjord. Er ist nur noch ein paar Kilometer entfernt aber wir wollen trotzdem nicht dort hin. Uns sind solche touristisch stark beworbenen Sehenswürdigkeiten zu überlaufen. Stattdessen besuchen wir die Ortschaft Lom und die alte Stabskirche und fahren dann an der südöstlichen Grenze des Jotunheimen Nationalparks auf der Rv51 Richtung Lillehammer.

Auf der Leeseite des Skandinavischen Gebirges ist es viel trockener. Wir sehen kaum noch Schneefelder, die Vegetation ist recht spärlich, viel gelb-braunes Gras, ein paar Birken. Die Landschaft wirkt offener und weiter. Auch hier treffen wir auf markierte Wanderwege, die sich in der Weite der Ebene irgendwann verlieren. Mich erinnert diese Landschaft etwas an Patagonien im Süden Argentiniens.

Unsere Reise ist nun fast beendet. Wir fahren über Lillehammer auf der E6 Richtung Oslo, verbringen dort noch einen Tag und treten dann über Schweden die Rückreise nach Deutschland an. Wie immer verlassen wir Skandinavien mit dem Schiff, der TT-Line, die uns in Travemünde wieder auf deutschem Boden absetzt.



Unsere etwa 5.300 Kilometer lange Tour durch Süd-Norwegen als gpx-Track findet sich zum Download hier:

  TrackFjordland.zip (2,2 MiB, 643 hits)


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